Full text: Lesebuch für die Oberklassen katholischer Volksschulen

13 
En 
ergrimmt und entrüstet warf der Herr des Ermordeten dem 
ider einen gewaltigen Stein nach. Aber was half's? D e 
Handgranate flog nicht dem Hunde an den Kopf sondern dessen 
Besiher durch das Fenster, mitten auf den Tisch, an dem er gerade 
die Mgeburger Zeitung las und machte in dieselbe ein Loch. 
Shne u fraden, woher der Schuß gekommen sei, riß der Gerber 
den zertrummerten Fensterflügel auf und fing an zu schimpfen. 
Der Nachbar in der weißen Schürze und mit den aufgestülpten 
Hemdärmeln blieb nichts schuldig; Kinder und Leute liefen zu— 
sammen, und — hätte ich ihn nur sehen können! — Satan stand 
gewiß in einer Ecke und blies mit vollen Backen in das Feuer. 
a Bicker verließ den Kampfplatz zuerst, aber nur, um seinen 
NRachbar bei Gericht zu belangen. Die Sonne ging üͤber dem Zorn 
a beiden Mannet unter, und den Tag darauf wurden sie vor 
Gericht geladen. Der Gerber wurde verurteilt; den tot gebissenen 
Mordax mil einem Reichsthaler zu büßen, da doch, wie er sich als 
Jagdliebhaber ausdrückte, der kleine Schäker nicht einen Groschen 
Pert gewesen sei. Der Bäcker mußte für den zertrümmerten 
Fensterflügel und das Loch in der Zeitung nicht viel weniger be— 
und sich mit seinem Widerpart in die angelaufenen Kosten 
leilen. 
Lon nun an war zwischen den beiden Familien eine große 
Kluft befestigi. Hinüber und herüber über die Gasse flog kein 
freundluhes Wort mehr. Ging die Gerberin links zur Kirche, so 
ahm die Nachbarin ihren Weg rechts; saß der Baͤcker im Post⸗ 
hause außen in der Stube beim Bier, so nahm der Gerber seinen 
Platz im Kabinett. Für den ganz schuldlosen Teil, für die Kin— 
de des Gerbers, gaben weder der Osterhase, noch der gute Mär⸗ 
lel, nn ) das heilige Kind durch die Frau Patin mehr etwas ab 
Sd ging es fast drei Jahre. Einmal, am Ende des dritten, 
setzten sich der Gerber und seine Hausfrau nachmittags an den 
Tsch um ihren Kaffee zu trinken. Aber als die Gerberin die 
Tischlade herauszog, war kein Wecken zum Einbrocken darin. Ihr 
lener Helm, der neben ihr auf den Zehen stand und auch 
hineinschaute, rief sogleich: „Mutter, einen Groschen! ich hole das 
Kron Daun wandie er sich in seiner kindlichen Eilfertigkeit an 
den Vater und sagte: „Heut aber lauf! ich nicht lange herum, 
ind denn es beim Torbaͤcker kein Brot gibt, geh' ich wieder ein⸗ 
mal zu dem Herrn Paten hinüber.“ Der Gerber, der vielleicht 
bie anklopfende Gnadenhand des Herrn spürte, sagte nicht ja und 
nicht nein darauf und ließ den kleinen Unmuß ziehen. Im ersten 
Maden hanen aber die Wecken schon alle ihre Käufer gefunden 
und Helm kam wieder zum Thore herein, laut singend, wie es 
Acnal lebhafle Kinder nit ihren Gedanken zu machen pflegen,
	        
Waiting...

Note to user

Dear user,

In response to current developments in the web technology used by the Goobi viewer, the software no longer supports your browser.

Please use one of the following browsers to display this page correctly.

Thank you.