Full text: Lesebuch für die Oberklassen der Volksschulen des Regierungsbezirks Oberpfalz

Hn letzten Welfen, dem nur Sachsen treu blieb. 
Seines Namens würdig, schlug der Löwe grimmig um sich 
her und tilgte zum Teil den Schandfleck des Verrates durch 
den Ruhm ungemeiner Tapferkeit. Bis ins dritte Jahr 
blieb er unbesiegt, obwohl Friedrich selbst gegen ihn aus— 
gezogen war. Ben Landgrafen von Thüringen nahm er so— 
gar gefangen. Als aber der Kaiser einen neuen großen Zug 
gegen ihn aufbrachte, ward der Herzog in Stade eingeschlossen. 
Niemand blieb ihm treu als die Stadt Lübeck, die sich dem 
Kaiser nicht eher ergab, als bis sie sich von dem Löwen, dem 
sie die schönsten Freiheiten verdankte, die Erlaubnis eingeholt 
hatta 
Da Heinrich nunmehr alles verloren sah, ließ er durch 
den freigelassenen Landgrafen Ludwig von Thüringen um 
Frieden bitten und fügte sich in die Gewalt des Kaisers, 
üm von dessen Großmuͤt wenigstens seine Erblande zurück— 
zuerhalten. u Erfuͤrt bat er ihn fußfällig um Gnade. 
Da tegte si die alte Milde wieder in des Kaisers Herzen; 
er hob den Fedemütigten Heinrich gütig auf und schloß ihn 
weinend in seine Arme, alter Zeit der Freundschaft und der 
Waffenbrüderschaft eingedenk. Doch bestand r unerbittlich 
auf Zertrümmerung der Welfenmacht, und well er die Ge— 
fahr großer Herzogtümer eingesehen, beschloß er, Bayern 
und Sachsen zu zerstückeln, wie schon früher Franken und 
Lothringen zerstückelt worden. Heinrich behielt nur Braun— 
schweig und Lüneburg. Um die Befestigung dieses neuen 
Zustandes zu sichern, mußte Heinrich der Lowe drei Jahre 
das Land meiden. 
3. Im hohen Alter unternahm der Kaiser, da Jerusalem 
durch Saladin wieder erobert worden war, noch einen Kreuz⸗ 
zug. Siegreich durchzog er Kleinasien; aber er erreichte 
nicht das heilige Land. Als er am Kalykadnos oder Seleph, 
einem Flusse im südöstlichen Kleinasien, angekommen war, 
führte sein Sohn den Vortrab. Das Gepäck folgte; er 
selbst befand sich beim Hintertreffen. Weil aber die Brücke 
über den Strom nur schmal war, so ging der Zug sehr 
langsam vorwärts. Deshälb beschloß der Kaiser, der schnell 
zu seinem Sohne zu konimen wünschte, den Fluß zu durch— 
schwimmen. Zwar warnten ihn die Seinen, er möge sich 
nicht dem ihm unbekannten Wasser anvertrauen; allein furcht— 
los, wie immer, sprengte er mit dem Pferde in den Strom. 
Der Greis hatte aber nicht mehr so diel jugendliche Kraft
	        
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