Full text: Lesebuch für die Oberklassen der Volksschulen des Regierungsbezirks Oberpfalz

21 
Vater in Nürnberg. Der hatte sechs Kinder und übergab 
ihnen alle seine Güter, Haus, Hof, Acker und alle Bereit— 
schaft und versah sich dessen zu seinen Kindern, sie würden 
ihn ernähren. 
Da er nun bei seinem ältesten Sohne eine Zeitlang 
war, wurde der Sohn sein überdrüssig und sprach: „Vater, 
mir ist heute nacht ein Knäblein geboren, und wo jetzt Euer 
Armstuhl ist, soll seine Wiege stehen; wollet Ihr nicht zu 
meinem Bruder ziehen, der eine größere Stube hat?“ 
Da er eine Zeitlang bei dem anderen Sohne gewesen 
war, wurde der auch sein müde und sprach: „Vater, Er hat 
gerne eine warme Stube und mir tut der Kopf davon weh; 
will Er nict zu meinem Bruder gehen, der ein Bäcker ist“ 
Der Vater ging und da er nun eine Zeitlang bei seinem 
dritten Sohne gwesen war, wurde er auch diesem zur Last, 
daß er sprach; „Vater, bei mir geht es aus und ein wie in 
einem Taubenschlage und du kannst dein Mittagsschläfchen 
nicht machen; willst du nicht zu meiner Schwester, der Käthe? 
Die wohnt an der Stadtmauer.“ 
Der Altte merkte, wie viel es geschlagen hatte und sprach 
bei si selbst: „Wohlan, das will ich tun. Ich will mich 
aufmachen und es bei meinen Töchtern versuchen. Die Weiber 
haben ein weicheres Herz.“ 
Da aber eine Zeitlang bei seiner Tochter gewesen 
war, wur auch sie sein überdrüssig und meinte, es sei ihr 
immer höllenangst. wenn der Vater zur Kirche oder sonst 
wohin gehe und die hohe Treppe hinunter müsse. Bei der 
Schwester Elisabeth brauche er keine Treppe zu steigen, die 
wohne zur ebenen Erde. 
Damit er in Frieden wegkam, gab ihr der Alte zum 
Scheine recht und zog zu seiner anderen Tochter. Und da 
er eine kurze Zeit bei ihr gewesen war, wurde auch sie sein 
müde und ließ ihm durch einen Dritten zu Ohren kommen, 
ihr Quartier an der Pegnitz wäre zu feucht für einen Mann, 
der mit Gicht geplagt sei; dagegen ihre Schwester, die Toten— 
gräberin bei St. Johannis, hätte eine überaus trockene 
Wohnung. Der Alte glaubte selbst, sie könne recht haben, 
und begab sich vor das Tor zu seiner jüngsten Tochter Lene. 
Und als er zwei Tage bei ihr gewesen war, sagte ihr 
Söhnlein zu ihm: „Großvater, die Mutter sprach gestern 
zur Base Elisabeth, für dich gebe es kein besseres Quartier 
als in einer Kammer, wie sie der Vater grabe.“ Über diese
	        
Waiting...

Note to user

Dear user,

In response to current developments in the web technology used by the Goobi viewer, the software no longer supports your browser.

Please use one of the following browsers to display this page correctly.

Thank you.