Full text: [Teil 3 = Quarta, [Schülerband]] (Teil 3 = Quarta, [Schülerband])

44 
„Es ist vorbei," sagt der Mann am vordem Riemens in eigentüm¬ 
lichem Tone. „Wäre es nicht besser, wieder an Bord zu rudern? Die 
Laternen des 'Seestern' entfernen sich immer mehr und sind bisweilen 
schon verschwunden." „Horch, da ist es wieder!" ruft ein Bootsgast. „Ich 
höre nichts," sagt der lauschende Bootssteurer. „Ich auch nicht," läßt sich 
der Mann am vordem Riemen wieder vemehmen. „Wir müssen an Bord 
zurück," fährt er in einem Tone fort, der fast drohend klingt. „Holt noch 
einmal aus!" ermuntert der Kadett die Leute, „vielleicht glückt es uns jetzt, 
ihn zu finden." „Wir wollen nicht hoffen," sagt der vorige Sprecher, „daß 
Sie gesonnen sind, die Nacht hier zu verbringen." „Das beste ist umzu¬ 
kehren," äußert jetzt auch Schramm, „die Fregatte ist außer Sicht." 
Der Ausdruck in den Gesichtern der übrigen Leute verkündet nichts 
Gutes; doch der Kadett läßt sich dadurch nicht einschüchtem. Vogel ist 
zwar leichtsinnig, jedoch energisch und hat das Herz auf dem rechten Fleck. 
„Tut, was ich befehle!" herrscht er den Leuten zu; „solange noch eine 
Aussicht bleibt, soll sie nicht verloren gehn. Wir wollen noch einmal luv¬ 
wärts versuchen." Die Leute beginnen wieder zu rudern; der Ernst des 
Kadetten, der plötzlich zum Manne gereift scheint, macht tiefen Eindruck. 
Jedoch der frühere Eifer ist geschwunden; ein geheimnisvoller Einfluß be¬ 
herrscht sie, und ihre düstern Mienen verkünden, mit welchem Widerstreben 
sie dem Befehle Folge leisten?- „Hier ist er endlich, ich sehe ihn, dicht aus 
der Seite," ruft aufspringend der Kadett und stürzt in seinem Eifer, den 
vermeintlichen Gegenstand zu erfassen, fast über Bord. O Gott! es ist nur 
die Mütze des Armen, der Körper fehlt. Doch dieser muß in der Nähe 
sein, und jeder strengt die Augen an, um den Verlorenen zu erblicken. 
„Da ist er!" ertönt es aus aller Munde zugleich. Kein Zweifel mehr, der 
Gesuchte schwimmt auf das Boot zu. „Frisch zu, mein Junge!" ruft ihm 
der Kadett freudig zu und streckt ihm ein Ruder entgegen, „noch ein paar 
Stöße, und wir haben dich an Bord." 
Plötzlich stockt die schwimmende Bewegung. Kaum berührt das Ruder 
die Oberfläche des Wasser, als eine Welle von Schaum das Boot über¬ 
schüttet und es fast zum Sinken bringt. Es zittert und bebt, als sei es 
zerschmettert. Niemand äußert einen Laut; die Augen sind starr vor 
Schrecken, kalter Schweiß steht vor der Stirn, und Totenblässe überzieht 
das Gesicht. Unwillkürlich klammern sich alle an die Seiten des heftig 
hin- und herschwankenden Bootes, als wollten sie es stützen. „All¬ 
mächtiger Gott, der arme Ernst!" ruft jetzt der Bootssteurer. „Was ist 
damit?" fragt der Kadett, der vergebens den vorhin gesehenen Gegenstand 
zu unterscheiden sucht, aber allein seine Ruhe behalten hat. „Ein HaU 
1) Riemen = Ruder. 
I
	        
Waiting...

Note to user

Dear user,

In response to current developments in the web technology used by the Goobi viewer, the software no longer supports your browser.

Please use one of the following browsers to display this page correctly.

Thank you.