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5. Regungslos hielt der General.
Hinter uns klang häufig das Kavalleriesignal Trab. Wir konnten die
Schwadronen nicht sehen; aber es war mir, als hörte ich das Stapfen,
Schnaufen, Klirren. Kommandorufe klangen an mein Ohr: Ha—hlt . .
Ha—hlt . . und immer schwächer werdend: Ha —hlt .. Ha⸗hlt. Ich
hörte das alles deutlich, und doch war um uns ein einziger Donnerton. Da⸗
zwischen klangen schrill die Schüsse der Batterie, die ich eben herangeholt
hatte; sie stand nicht weit von uns Auf vier Meilen im Umkreise plapperte
das Gewehrfeuer; es brodelte wie die Blasen in einem riesigen kochenden Kessel.
Ledige Pferde mit schleifenden Zügeln, zuweilen mit verschobenen Sätteln,
jagten um uns herum.
6. Regungslos hielt der General.
Da kam dom rechten Flügel her, wohin er sich zur genaueren Bericht⸗
erstattung begeben hatte, der Chef des Stabes an. Reiter und Pferd waren
bon unten bis oben mit Schmutz bespritzt; der Oberst mußte in flottester
Gangart geritten sein. Das Pferd dampfte; am Halse, unter den Decken⸗
rändern stand weißer Schaum. Die Flanken flogen; es schien auf der Hinter⸗
hand zusammenbrechen zu wollen.
Wir beobachteten gespannt den Oberst, als er neben dem General hielt.
Es mußte gut stehen, das konnten wir merken. Während er noch mit dem
Oberbefehlshaber sprach, bald auf der Karte suchend und findend, bald mit
dem Finger in die Schlacht zeigend, sauste vom linken Flügel ein Meldender
heran. Sein Pferd war durchaus fertig. Es konnte nicht mehr den Hügel
aehmen und brach unten mit seinem Reiter zusammen. Beide überkugelten sich.
Aber sofort erhob sich aus dem Knäuel ein junger Jägeroffizier mit einem hübschen
schwarzen Schnurrbärtchen, braunen gewellten Haaren, dunkelbraunen Augen und
lillem durch den Purzelbaum eingetriebenen Tschalo. Er stürmte bei uns vorbei,
uns lachend zurufend: „Es geht gut, es geht gut!“ Auf seinem kurzen Wege
zum General hatte er ein Paar schneeweiße Handschuhe hervorgezogen und
war bemüht, diese noch an den Fingern zu haben, ehe er oben war. Ebenso
lächelnd, wie er bei uns vorbeigekommen, meldete er dem Oberbefehlshaber,
der ihm freundlich die Hand reichte. Dann bestieg er ein ihm von einer
Ordonnanz eingefangenes kleines Berberroß und ritt, das letzte Stück von
einem kalten Huhn, das in unserm Besitz war, annehmend, lustig wieder von
dannen, unterwegs kauend und mit der rechten Faust die Beulen seines ent—
stellten Tschakos in Ordnung bringend. Es schien ihm alles ungeheures Ver⸗
gnügen zu machen.
7. Der General ritt zu uns hinter das rauchende Gebäude, dessen Dach
und Sparren eben prasselnd zusammengebrochen waren, und fragte: „Hat
einet der Herren noch eine nicht letzte Zigarre?“ Sie wurde ihm dargeboten.