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C. Aus dem Naturleben.
1. Sinnige Naturbetrachtung.
143. Morgengebet.
1. O wunderbares, tiefes Schweigen!
Wie einsam ist's noch auf der Welt!
Die Wälder nur sich leise neigen,
als ging' der Herr durchs stille Feld.
2. Ich fühl' mich recht wie neugeschaffen.
Wo ist die Sorge nun und VNot?
Was mich noch gestern wollt' erschlaffen,
ich schäm' mich des im Morgenrot.
3. Die Welt mit ihrem Gram und Glücke
will ich, ein Pilger, frohbereit
betreten nur wie eine Brücke
zu dir, Herr, übern Strom der Zeit.
Joseph Freiherr von Eichendorff. (Gekürzt.)
144. Der Weiher.
Er liegt so still im Morgenlicht,
so friedlich wie ein fromm Gewissen;
wenn Weste seinen Spiegel küssen,
des Ufers Blume fühlt es nicht.
zCibellen zittern über ihn,
blaugoldne Stäbchen und Rarmin,
und auf des Sonnenbildes Glanz
die Wasserspinne führt den Tanz.
Schwertlilienkranz am Ufer steht
10 und horcht des Schilfes Schlummerliede;
ein lindes Säuseln kommt und geht,
als flüstr' es: Friede, Friede, Friede!
Annette von Droste Qülshoff.
145. Mittagszauber.
1. Im Garten wandelt hohe Mittagszeit,
der Rasen glänzt, die Wipfel schatten breit;
von oben sieht, getaucht in Sonnenschein
und leuchtend Blau, der alte Dom herein.