Die weltgeschichtlichen Völker des westlichen Orients. 9
wiederzugeben und dennoch so viel zurückzubehalten, als zur Bewässe¬
rung nöthig war. Ums Jahr 2100 brachen die Hyksos, ein 2100.
kriegerisches Hirtenvolk aus Asien, in das Nilland ein, Zerstörten
Städte und Tempel, tödteten die Einwohner oder machten sie zu
Sclaven und herrschten gewalttätig über Mittel- und Unterägypten.
Ihnen schreibt man die leichte Ausnahme der Hirtensamilie Jakobs
in Aegypten zu, während man annimmt, daß der neue Pharao, „der
von Joseph nichts wußte", der wieder zur Herrschaft gelangten ein-
heimischen Dynastie angehört habe, welche nach der Vertreibung der
Hyksos aus altem Volksabscheu gegen Nomaden und aus Besorgniß
vor abermaliger Vergewaltigung durch diese jenen Druck über die
Israeliten verhängte, von welchem Moses sein Volk befreite.
Theben in Oberägypten, von wo die Vertreibung der Fremd-
Herrschaft ausgegangen war, wurde nun Reichshauptstadt und von
nachfolgenden Königen mit den herrlichsten Bauwerken geschmückt.
Den Gipfel des Ruhmes und des Glanzes erreichte Aegypten unter '
Ramses dem Großen, den die Griechen Sefostris nennen, auf 1350.
bessert Namen sie alle ägyptischen Heldenthaten und Siegesdenkmäler
im Auslande übertrugen, und der alle Reiche des Erdbodens zu einer
Universal Monarchie vereinigen wollte. Nachdem er das ganze
Land in 36 Districte getheilt und jeden derselben unter einen Statt-
Halter gestellt hatte, begann er mit etnm Heere von 600,000 Mann
^ußbOtk, 24,000 Reitern und 27,000 Streitwagen, einer Kriegsflotte
von 400 Schiffen im rothen Meere und einer andern im Mittel-
meere seinen Eroberungszug, unterwarf Aethiopien, Indien bis an
den Ganges, Kleinasien, die Inseln des Archipelagus, Scythien bis
an den Don, rückte nach Europa und machte die Donau zur Grenze
seines Siegeslaufs, überall Denksäulen desselben mit Inschriften
errichtend. Groß als Kriegsheld, Gesetzgeber und Beförderer der
Künste und Wissenschaften, berühmt als Gründer von Tempeln
Obelisken und Bildsäulen, verdient um sein Land durch Canal- und
Dammbauten (bei denen er nur Kriegsgefangene verwendete), endete
er, tm Alter erblindet, sein Leben durch Selbstmord.
Die Zeit friedlichen Stillebens und die Zwölfherrschaft; Psammetich.
. 3 § 9-, Nach Sesostris hört Aegypten auf, die erste Weltmacht
des Alterthums zu fem; es beginnt sein friedliches Stilleben, das
500 Jahre dauert, während Assyrien kriegerisch in den Vordergrund
tritt. Nach Abwerfung der vorübergehenden friedlichen Fremdherr- "■
schuft der Aethwpier sollen 12 einheimische Fürsten im Lande
geherrscht und als Zeichen und Denkmal ihrer Einigkeit und der
wieder erlangten Selbständigkeit des Landes den großen Reichs-
Palast, das Labyrinth, wieder hergestellt haben, ein Gebäude mit
verwickelten Gängen und Treppen, das 1500 Säle und Zimmer über
und ebensoviel unter der Erde enthielt. Einer der Zwölfherrscher