Full text: Mit 21 Abbildungen (Teil 3 = (6. - 8. Schuljahr), [Schülerband])

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Durch den Urwald wurden für die Einwanderer Straßen geschlagen, an 
denen rechts und links die Bauernhöfe liegen. Ein deutsches Dorf in Brasilien 
besteht daher aus einer langen Zeile von Anwesen, die zumeist dem Laufe eines 
Flusses folgen. In der Landessprache Brasiliens, dem Portugiesischen, heißt 
eine solche Waldstraße „Picada“, und deshalb nennen auch die deutschen Bauern 
ihr Dorf meistens „Pikade“. Man darf aber nicht glauben, daß sich der deutsche 
Bauer im gewöhnlichen Leben der portugiesischen Sprache bedient; er ver— 
steht nur die allernotwendigsten Redensarten der Brasilier und gebraucht im 
täglichen Umgange nur die deutsche Sprache. Das Plattdeutsch der Pommern 
und der Hunsrücker Dialekt der rheinischen Ansiedler sind überall in den Pikaden 
verbreitet, und selbst Neger, die lange als Arbeiter unter den Deutschen lebten, 
verstehen und sprechen hin und wieder den Dialekt der Bauern. 
3. Sehen wir uns nun das Leben und Treiben in einer Pikade näher 
an. Mit dem ersten Sonnenstrahl, sobald der Sabiä, die brasilische Amsel, 
sein munteres Lied pfeift und der Tukan mit dem riesigen, gebogenen Schnabel 
im dunkeln Laube der Orangen knarrt und krächzt, erwacht das Leben auf 
dem Hofe. Noch weht die kühle, würzige Morgenluft, der Morgentau liegt 
in blinkenden Tropfen auf Gräsern und Blüten, und an den gelbroten Glocken 
der Malve, den brennendroten Gladiolen, den duftenden Rosen des Haus— 
gärtleins schwebt und surrt der Kolibri im grüngoldenen, schillernden Kleide. 
Die Tauben sitzen auf dem First des Maisschuppens und putzen das weiß⸗ 
bunte Gefieder; von fern tönt der dumpfgirrende Ruf ihrer wilden Schwestern. 
Der Hahn kräht sein Morgenlied, und Gänse und Enten schnattern vergnügt 
am Bache. Im dichtgezäunten Pferch grunzt und quiekt das Borstenvieh; 
an langer Krippe stehen Pferde und Maultiere beim Mais, und das glatte, 
breitgestirnte Hornvieh kaut mit unerschütterlicher Ruhe an den saftigen Stengeln 
des Zuckerrohrs. 
Bald liegt das Wohnhaus des Kolonisten verlassen da. Die Knaben 
und Mädchen haben ihre Pferde aufgesattelt und sind zur Schule geritten, denn 
der Weg ist meistens zu lang und zu schlecht, als daß er für Fußgänger zu 
benutzen wäre. Alle übrigen Hausgenossen aber sind in die Pflanzung hinaus⸗ 
geeilt, um dort ihr Tagewerk zu verrichten. Die schwerste Arbeit für den 
Ansiedler ist das Waldhauen. Mit der Art wird ein Stück Wald niedergelegt; 
dann bleiben die mächtigen Bäume, wirr durcheinander hingestreckt, einige 
Wochen in der Glut der Sonne liegen, bis der Bauer Feuer in den dürren 
Wald wirft, daß es an allen Ecken knattert und prasselt, die rote Lohe 
in mächtigen Garben aufschlägt und sausend in dem trockenen Holze weiter⸗
	        
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