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106. Friedrich J. von Hohenzollern.
1. Es war an einem Junitage des Jahres 1414. In der Schloßkapelle zu
Tangermünde, die mit geglättetem Marmor, Alabaster und kostbaren Perlen
geschmückt war, kniete der Burggraf Friedrich zur Seite seiner schönen Ge—
mahlin Else. Es hatte beide gedrängt, Gott dafür zu danken, daß der Kampf
gegen die aufsässige havelländische Ritterschaft glücklich beendet und die burg—
gräfliche Macht in der Mark sicher befestigt war. Durch die bunten Fenster der
Kapelle, die Kaiser Karl IV. mit feinem Kunstsinn so prächtig ausgebaut
hatte, brach der letzte Gruß der untergehenden Sonne und wob um die tief
geneigten Häupter des fürstlichen Paares eine vielfarbige Strahlenkrone.
2. Nach beendigtem Gebete richtete sich Friedrich auf, half seiner
Gemahlin empor und führte sie dem kleinen Ausgange zu, der nach dem
Inneren des Schlosses führte. Als er mit ihr den gewölbten Flur des
Schlosses betrat, blieb er einen Augenblick stehen und sagte feierlich: „Jetzt,
Else, begrüße ich Euch als Frau Markgräfin in Euerm eigenen Lande.“
Fragend richteten sich Elisabeths große Augen auf den Gemahl. „Wie soll
ich das verstehen?“ — „Festbegründet ist jetzt unsre Herrschaft, und König
Sigismund schreibt mir, daß er mir in Konstanz den Kurhut aufs Haupt
setzen wolle.“ Glücklich schlang die Fürstin ihren Arm um den Hals des
Gemahls und sagte: „Ich habe es nie anders erwartet; denn König Sigis—
mund weiß, daß Ihr als Markgraf dieses Landes ihm wirksamer dienen
könnt denn als bloßer Verweser. Ach, mein hoher Gemahl, von Herzen
wünsche ich Euch Glück und Segen!“
3. Sie traten an das offene Fenster des nach der Elbseite gelegenen
Gemaches und genossen in vollen Zügen den duftigen Hauch des milden
Juniabends. Entzückt schaute Elisabeth auf die prächtige Landschaft draußen
und sagte: „Seht den Strom mit seinen auf und ab fahrenden Kähnen
und den Widerschein der Segel im zitternden Wasser! Ist es nicht herrlich?
Und drüben das liebliche Jerichower Land und die hohen, blau verschleierten
Tannenwälder! Wer sollte glauben, daß dies die öde Mark sei, vor der
man uns in Franken so spöttisch gewarnt hat? Wohl wird mir die schöne
Heimat unvergeßlich bleiben; aber ich sehe, daß es überall auf Gottes weiter
Welt schön sein kann.“ Nach Gerhard von Amyntor. (Gerke Suteminne.)
107. Wie Berlin Hauptstadt ward.
1. Von alters her lagen Berlin und Kölln einander gegenüber als zwei
Schwesterstädte, die eine links, die andre rechts von der Spree. Sie hatten
sich zu einer Gemeinde vereinigt, und es war, als hätte dadurch jede ihre