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104. Abendlied.
. Die Nacht ist niedergangen,
die schwarzen Schleier hangen
nun über Busch und Haus.
Leis rauscht es in den Buchen.
Die letzten Winde suchen
die vollsten Wipfel sich zum Neste aus.
2. Noch einmal leis ein Wehen,
dann bleibt der Atem stehen
der müden, müden Welt.
Nur noch ein zages Beben
fühl' durch die Nacht ich schweben,
auf die der Friede seine Hände hält.
Otto Julius Bierbaum.
105. Der Sterne Deutung.
1. Der Vater mit dem Sohn ist über Feld gegangen,
sie können, nachtverirrt, die Heimat nicht erlangen.
2. Nach jedem Felsen blickt der Sohn, nach jedem Baum,
Wegweiser ihm zu sein im weglos dunklen Raum.
5. Der Vater aber blickt indessen nach den Sternen,
als ob der Erde Weg er woll' am Himmel lernen.
4. Die Felsen blieben stumm, die Bäume sagten nichts;
die Sterne deuteten mit einem Streifen Lichts.
5. Zur Heimat deuten sie; wohl dem, der traut den Sternen!
Den Weg der Erde kann man nur am Himmel lernen.
Friedrich Rückert.
106. Mädchen, Buben, kommt heraus!
1. Hat denn niemand es gewußt, keiner es vernommen? —
Uber Nacht ist ja der Mai in die Welt gekommen!
Maienblume schwingt im Hain hell die zarten Glöckchen,
Veilchen schlägt die Augen auf, wäscht im Tau das Böcchen.
2. Löwenzahn im Wiesengrund streckt die goldne Krone;
im Gebüsch am Waldessaum zeigt sich Anemone.
Gänseblümchen hebt den Kopf, Frühlingsküchenschelle
ordnet flink den hübschen Zopf, und es lacht Brünelle.