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116. Die Kartoffel.
1. Die Kartoffel wächst in Peru und Chile wild und trägt wohl—
riechende Blüten und kleine, bittere Knollen. Schon vor der Entdeckung
Amerikas wurde sie in den für Mais zu kalten Gegenden Perus angebaut
und bald nachher nach Nordamerika verbreitet. Spanier brachten sie
nach Europa, und hier ist sie in größerem Umfange zuerst in Italien an⸗
gebaut worden. In Deutschland trug der Dreißigjährige Krieg viel zu ihrer
Verbreitung bei. In Preußen hat Friedrich der Große den Kartoffelbau
in Pommern und Schlesien durch Gewaltmaßregeln verbreitet; erst seit
1800 jedoch ist er bei uns allgemein geworden.
Der Wert der Kartoffel als Nahrungsmittel beruht fast ausschließ⸗
lich auf ihrem Gehalt an Stärkemehl; denn sie ist sehr arm an Fett und
Eiweiß. Deshalb werden Kartoffeln mit Zusatz von Fett und Fleisch
gegessen. Ein arbeitender Mann braucht zur Erhaltung seiner Arbeits—
kraft so viel Eiweiß, wie in etwa 600 8 Ochsenfleisch enthalten ist. Wollte
er dieses aus Kartoffeln allein nehmen, so müßte er 10 kg Kartoffeln
täglich essen; so viel kann aber kein Mensch verdauen. Wohlhabende Leute
essen deshalb weniger Kartoffeln, aber mehr Fleisch und Brot. Können
so die Kartoffeln nicht alleinige Menschennahrung sein, so ist doch ihre
Bedeutung für die Volksernährung ungeheuer groß. Keine unsrer
Nahrungspflanzen erzeugt auf einer gegebenen Ackerfläche so viel Stärke—
mehl wie die Kartoffel, keine ist gleich ergiebig in den verschiedensten
Bodenarten und Lagen. Dazu kommt, daß sie für unsre Haustiere, die
uns Fleisch und Fett als Nahrung liefern, besser verdaulich ist als für
den Menschen. In ihrem Fleisch und Fett essen wir die von der
Kartoffel bereiteten Nährstoffe in leichter verdaulicher Form. Ohne
Kartoffelbau könnte kein europäisches Land seine heutige Bevölkerung
ernähren; vor seiner Einführung waren alle Länder Europas viel dünner
bevölkert.
3. Zur Herstellung der Kartoffelstärke in Stärkefabriken werden gut
gewaschene Kartoffeln durch schnell gedrehte, mit Sägezähnen besetzte
Walzen zerrieben, so daß die Zellhäute zerrissen und die Stärkekörner frei
werden. Dadurch erhält man einen Brei, den man auf Sieben aus⸗
wäscht. Das Wasser nimmt die Stärkekörner mit und läßt sie beim
Stehen zu Boden fallen; der zurückbleibende Brei dient als Viehfutter.
Die abgesetzte Stärke wird wiederholt mit frischem Wasser gereinigt und
zuletzt sorgfältig getrocknet. Sie dient zur Herstellung von Stärkegummi
und Stärkezucker, zu Kleister und Schlichte, zur Appretur von leinenen
und baumwollenen Geweben und zum Leimen des Papiers.
¶ Zur Gewinnung des Spiritus werden die Kartoffeln sorgfältig
gewaschen und mittels Dampfes zu dünnem Brei zerkocht, der mit fein