Full text: Lesebuch für Brandenburg

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3. „Jetzt, Mutter,“ sagte Johannes, in die Stube tretend mit seinen 
Leuten, „jetzt istss unter Dach, und alles ist gut gegangen; mag es jetzt 
stürmen, wie es will, und mag es morgen schönes oder böses Wetter 
sein, ich hab' es unter meinem Dache.“ — „Johannes, aber über deinem 
Dache ist des Herrn Dach“, sagte die Mutter feierlich, und als sie das sagte, 
ward es hell in der Stube, daß man die Fliegen sah an der Wand, und 
ein Donner schmetterte über dem Hause, als ob es mit einem Streiche in 
Millionen Splitter zerschlagen würde. „Herr Gott, es hat eingeschlagen!“ 
rief der erste, der reden konnte; alles stürzte zur Tür hinaus. 
Das Haus stand in vollen Flammen; aus dem Dache heraus brannten 
bereits die eingeführten Garben. Wie stürzte alles durcheinander! Die alte 
Mutter allein behielt klare Besinnung; sie griff nach ihren beiden Krücken, 
sonst nach nichts, suchte die Tür und einen sichern Platz und betete: 
„Was hülfe es dem Menschen, wenn er die ganze Welt gewönne und 
nähme doch Schaden an seiner Seele! Dein und nicht mein Wille ge— 
schehe, o Vater!“ 
Das Haus brannte ab bis auf den Boden; gerettet wurde nichts. Auf 
der Brandstätte aber stand der Bauer und sprach: „Ich hatt' es unter 
meinem Dache! Aber über deinem Dache ist des Herrn Dach, hat die 
Mutter gesagt.“ Jeremias Gotthelf. (li der Pachter.) 
41. Ein Gesang über den Wassern. 
1. Wer in früheren Zeiten nach Amerika reisen wollte, der mußte 
mehr als einen Sonntag unterwegs bleiben. — Dorthin zogen einstmals 
vom Rheine her zwei Bauersleute, denen es in der Heimat nicht mehr 
wohlgefiel. Sie waren schon wochenlang auf dem Weltmeere, wo man 
keinen grünen Wald sieht und keinen Kornacker, und des Morgens kräht 
kein Hahn, und des Mittags bläst kein Hirt. Und wenn manchmal ein 
Vogel sich zeigt, so ist's keine Lerche, die einem auf dem Felde singen hilft, 
sondern ein Sturmvogel, der ein böses Wetter ansagt. Auch hat man da 
keinen festen Boden unter den Füßen wie hinter dem Pfluge, sondern 
das Schiff wankt und schwankt, und es wird einem an Leib und Seele 
sterbensweh dabei. So geht's alle Tage; droben sieht man nur den un— 
endlichen Himmel und drunten das weite, weite Gewässer, und die Sonne 
hat kein trocken Plätzchen, wo sie sich des Abends hinlegen kann, sondern 
geht im Meere zu Bett und steht aus dem Meere wieder auf. 
Nun gefielen zwar anfänglich unsern zwei Landleuten die Meeres⸗ 
wunder nicht wenig; denn alles Neue lockt und reizt des Menschen Herz. 
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