Friedrich Wilhelm III.
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1- Preußens Demüthigung. Ms Friedrich der Große zum letzten
D!ale den damals sechzehnjährigen Prinzen, den spätern König Friedrich
Wilhelm III., sah, sagte er zu ihm: „Nun Fritz, werde was Tüchtiges.
Es wartet Großes auf dich. Ich bin am Ende, mein Tagewerk ist bald
kortig. Ich fürchte, nach meinem Tode wird's drunter und drüber gehen.
Ich fürchte, du wirst einmal einen schweren Stand haben. Rüste dich! Be¬
gehe keine Ungerechtigkeit, dulde aber auch keine! Halte es fest mit dem
Volke, daß es dich liebe und dir vertraue. Darin allein kannst du stark
und glücklich sein. Vergiß diese Stunde nicht." Und er sollte sie nicht ver-
geffen. Zwanzig Jahre nach Friedrichs des Großen Tode wurde Preußen
bon seinem Feinde, dem Kaiser Napoleon, schwer gcdemüthigt.
Preußens Ehre und Selbstständigkeit war durch Napoleons Uebermuth
bereits schwer verletzt, doch suchte Friedrich Wilhelm III. den Krieg immer
uoch zu vermeiden. Sein klarer Blick erkannte zu deutlich die Mängel seiner
Armee und ihrer meist alten und gebrechlichen Befehlshaber. Endlich
konnte er der kriegerischen Stimmung, die sich in Berlin und im ganzen
Lande kundgab, nicht mehr widerstehen. So wurde denn der Krieg gegen
Napoleon's siegreiches Heer beschloffen. „Krieg! Krieg mit den Franzosen!"
so ging damals der freudige Ruf von Mund zu Munde durch das ganze
Vaterland. Die jungen Officiere meinten: „es wäre schade, daß man der
Heldenarmee Friedrich's des Großen Degen, Gewehre und Kanonen mit¬
gäbe: Knüttel würden hinreichend sein, die Franzosen todt zu schlagen." Das
klang wohl recht muthig, war im Grunde aber doch nur unbesonnene Prahlerei.
Der König schüttelte bedenklich den Kopf über den hochfahrenden Sinn seiner
Officiere; er wußte wohl, daß der Arm der Hoffährtigen zerbrochen wird.
Dies erfüllte sich leider sehr bald durch die entsetzliche Niederlage der
getrennten preußischen Hauptheere am 14. October 1806. Das eine unter dem
Prinzen von Hohenlohe wurde bei Jena von Napoleon, das andere, bei dem
auch der König war, unter dem alten Herzog von Braunschweig auf dem Marsche
"ach Auerstädt von dem Feldmarschall Davoust sspr. Dawuh) trotz der echt
preußischen Tapferkeit einzelner Haufen gänzlich geschlagen. Die geschlagenen
Theile flohen gegen einander, keiner wußte das Unglück des andern. Es erfolgte
eine allgemeine Auflösung. Das Heer wurde in einzelne Haufen zersprengt,
welche von den nachrückenden Feinden einer nach dem andern vernichtet wurden.
Das preußische Vaterland stand dem Feinde offen.
Noch schlimmer als die Niederlage von Jena und Auerstädt waren ihre
Folgen. An die Stelle des Uebermuths trat nun eine vollständige Muth-
kvsigkeit und Verzagtheit. Ganz natürlich. Man hatte sich auf die eigne Kraft
und nicht auf den Beistand des lebendigen Gottes verlassen. Nun fehlte es
an dem wüthigen Glauben, der die Niedergebeugten aufrichtet und den Trost¬
kosen Stecken und Stab ist. In unwürdiger Verzweiflung beeilte man sich,
dem Feinde ohne Gegenwehr Alles dahinzugeben. Die meisten Festungen
wurden dem Feinde ohne alle Vertheidigung überliefert. „Ein Schelm machte
den andern." Schon am 27. October hielt Napoleon seinen feierlichen Einzug
>n Berlin. Alle Vorräthe lieferte der Gouverneur in des Feindes Hand, um
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