Full text: Für Mittelklassen (Teil 1, [Schülerband])

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Kronsbeeren gewährt noch manchen Nebenverdienst. Nicht wenig wird auch die Be— 
völkerung des Harzes in Nahrung gesetzt durch die vielen Reisenden, welche alljähr— 
lich im Sommer das berühmte Gebirge besuchen, um sich an den Schönheiten des⸗ 
selben zu erfreuen, oder um ihre Gesundheit in der stärkenden Harzluft zu kräftigen. 
Der größte Reichtum des Harzes besteht aber doch in den Erzen und dem Wald— 
bestande; daher lautet der Bergmannsspruch des Harzers: 
„Es grüne die Tanne, es wachse das Erz, 
Gott gebe uns allen ein fröhliches Herz!“ 
Nach GOrube. 
17. Die Beerengänger des Harzes. 
Der Tag ist im Erwachen. Hier und dort wird es schon lebendig in den 
Häusern. Auf dem Herde knistert das Feuer, und aus dem Schornsteine des roten 
Ziegeldaches steigt der Rauch in die Morgendämmerung. Die Kinder rüsten sich zu 
einem Gange in die Berge. Der Kaffee ist getrunken, ein großes Stück Schwarz⸗ 
brot in einen Korb gelegt, und nun gehen Knaben und Mädchen talauf, um Beeren 
in den Bergen zum Verkauf zu sammeln. 
In dem nahen Walde können sie die Körbe noch nicht füllen; denn nur Moos 
und Farnkraut grünen im Schatten der Tannen, und keinerlei Frucht reift hier für 
den Menschen. Weiter zieht die suchende Schar, bis sich der Wald lichtet. Hier, 
wo die Tannen erst vor wenig Jahren weggeschlagen wurden, hat der wärmende 
Strahl der Sonne alsbald ein neues Leben entwickelt. Das Moos ist verschwunden, 
und seine Stelle hat die Erdbeere eingenommen. Sie breitet sich dicht an der Erde 
auf großen Plätzen aus und bietet ihre scharlachrote Frucht auf dunkelgrünen Blättern 
dar. Zwischen den Klippen, wo einst die Tanne emporwuchs, schwankt jetzt der 
Himbeerstrauch mit silberfarbigem Blatte, und neben ihm erhebt sich stolz der Finger— 
hut mit hohem Stengel und purpurnen Blüten, die in langer Reihe, Glocke an 
Glocke, bis zur Spitze des Stengels hinaufsteigen und ihn unter ihrer Last biegen. 
Noch manche Blume und manches Kraut hat von der umgewandelten Statte rasch 
Besitz genommen, auch manch Tierlein den lichten Platz aufgesucht. Neckische 
Eidechsen mit ihren klugen Augen sonnen sich auf den erwärmten Steinen ; zirpende 
Grillen fliegen von Klippe zu Klippe; bunte Schmetterlinge flattern von Blume zu 
Blume, und ein Heer von Käfern kriecht an den Grashalmen auf und ab. Hierher 
zieht die Schar der Beerenleser, steigt zwischen den Klippen nach den Himbeeren, 
sucht an dem Boden nach den Erdbeeren und füllt die Körbe So tun sie manches 
Jahr, bis von neuem ein junger Tannenwald emporwächst und all das bunte Leben 
unter seinem dunkeln Schatten wieder begräbt. Die Grille hört auf zu musizieren, 
der Käfer zu klettern; die Erdbeere blüht nicht mehr; die Lieder sind verstummt, 
bis nach aber hundert Jahren der Wald unter den Schlägen der Axt wieder zu⸗ 
sammenstürzt. Nach Grube. 
18. Die Holzhauer des Harzes. 
Die Beerengänger sind die ersten, welche am frühen Morgen unter Gesang in 
den Wald ziehen. Ihnen folgen die Holzhauer. Die sorgliche Frau hat vorher den 
Kober des Mannes mit Brot und Zubrot gefüllt; denn erst am Abend kehrt derselbe 
von seiner sauren Waldarbeit zurück. Den Lederkober an der Seite, geht er in 
festem Schritte still und ernst dem Walde zu.
	        
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