Full text: Lesebuch für die Mittel- und Oberstufe (Teil 3, [Schülerband])

I. Aegypten. 813 
Kopten, die Nachkommen der Ureinwohner Aegyptens, obwohl 
sehr mit andern Völkern gemischt, haben doch noch manche Züge 
der Aehnlichkcit mit den Mumien ihrer Vor-Eltern, die braune 
Farbe, das dicke Gesicht, die platte Stirn, den großen Mund, 
die kurze Nase und den dünnen Bart. Sie sind im Ganzen nicht 
sonderlich gebaut, aber listig, gewandt und fleißig, daher sie auch 
meist als Kaufleute, Handwerker und vorzüglich als Geschäftsleute 
der unwissenden Türken leben. Ihre Zahl soll nicht über 
150,000 betragen. Sie sind zwar Christen, aber die Religion ist 
bei ihnen zu einem todten Mechanismus, Wirbel so manchen Sek¬ 
ten des Morgenlandes, herabgesunken. In ihren Gebräuchen 
stimmen sie häufig mit der griechischen Kirche überein. Ihr Got¬ 
tesdienst wird des Nachts gefeiert und besteht fast nur in Gebet, 
Gesang und Vorlesen der Schrift, was aber in der altkoptischen, 
ihnen jetzt nicht mehr verständlichen Sprache geschieht. Die Bibel¬ 
übersetzung aus dem 3ten Jahrhundert, welche theilweise in zwei 
Dialecten vorhanden ist, ist auch das einzige auf uns gekommene 
Denkmahl dieser alten Sprache, welche keine Verwandtschaft mit 
andern bekannten hat, obgleich sie in dieser Uebersetzung schon 
stark mit demPhönicischen, d. h. Semitischen, vermischt ist. Die 
Messe wird nach Mitternacht gefeiert, und der Gottesdienst dauert 
bis zum Anbruch des Tages, aber nur wenige vom Volke finden 
sich dazu ein, und es wird in den Kirchen geraucht, getrunken und 
geplaudert. Das Abendmahl wird mit frischgebacknem, unge¬ 
säuertem Brot lind Wein gereicht, letzterer wird vermittelst eines 
Löffels genossen. Die Kindertaufe wird nur in der Kirche, ver¬ 
mittelst Salbung mit Oel und dreimaliger wirklicher Eintauchung 
in Wasser, verrichtet. Statuen werden nicht in den Kirchen ge¬ 
duldet, wohl aber Bilder. Die Fasten sind fast noch länger und 
häufiger, als in der griechischen Kirche. Die Geistlichkeit besteht 
aus sehr unwissenden Mönchen, welche verheirathet in den Klöstern 
leben , in eigentlichen Geistlichen oderKassis, in Bischöfen, wel¬ 
che einmal verheirathet gewesen seyn müssen, und einem Primas, 
dem Patriarchen von Alexandrien, der aber gewöhnlich in Kairo 
wohnt und nicht verheirathet seyn darf. — Die Araber, wel¬ 
che die Mehrzahl der Bewohner Aegyptens ausmachen, zerfallen 
in Beduinen, welche unter Zelten in der Wüste Hausen, und an¬ 
sässige. Die Beduinen halten sich für die Edelsten, sie zerfallen 
in viele Stämme, welche in ewigen Fehden mit einander leben; 
ihre Oberhäupter oder Schecks, Abkömmlinge der Aelteften einer 
Familie, bilden eine Art von Adel unter ihnen. Sie haben Heer- 
den, pachten und bebauen auch wohl zuweilen etwas Acker am 
Rande der Wüste; sie sind Räuber und Kaufleute und vermiethen 
sich und ihre Kameele häufig den Karawanen zum Transport ihrer 
Waaren; die Aegypten zunächst wohnenden zahlen auch wohl dem 
Pascha einen geringen Tribut. Die ansässigen Araber, von den
	        
Waiting...

Note to user

Dear user,

In response to current developments in the web technology used by the Goobi viewer, the software no longer supports your browser.

Please use one of the following browsers to display this page correctly.

Thank you.