Full text: Deutsches Lesebuch für die mittlere und obere Stufe einfacher Schulverhältnisse (Theil 2, [Schülerband])

24. Rittmeister Kurzhagen 
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Zahlamte ausgezahlt, und der Doktor verordnete ihr einen Trank; 
und durch die gute Arzuei und durch die gute Pflege, die sie sich jetzt 
derschaffen konnte, stand sie in wenig Tagen wieder auf gesunden 
Beinen. Also hat der Doktor die kranke Frau geheilt und der Kaiser 
die arme. Zebel. 
24. RNittmeister Kurzhagen. 
In dem Regimente des berühmten, von Friedrich dem Großen 
hochgeehrten Generals von Zieten stand auch ein Rittmeister, mit Namen 
Kurzhagen. Er war klug, tapfer und hatte ein kindliches Gemuth. 
Seine re Daren arme Landleute im Mecklenburgischen. Mit dem 
Verdienstorden auf der Brust rückte er nach Beendigung des sieben⸗ 
sährigen Krieges in Parchim, einer Stadt in dem Großherzogthum 
Mecllenburg⸗Schwerin, ein. Seine Eltern waren von ihrem Dörfchen 
nach der Stadt gekommen, um ihren Sohn nach Jahren wiederzusehen, 
und erwarleten ihn auf dem Markte. Als er sie erkannte, sprang er 
rasch vom Pferde und umarmte sie unter Freudenthränen. Bald darauf 
mußten sie zu ihm ziehen und aßen allzeit an seinem Tische, auch wenn 
er vornehme Gäste hatte. 
Einst spottete ein Offizier darüber, daß Bauern bei einem Ritt⸗ 
meister zu Tische säßen. „Wie sollte ich nicht die ersten Wohlthäter 
Nelnes Lebens dankbar achten?“ war seine Antwort; „ehe ich des Königs 
Rillmeister wurde, war ich ihr Kind.“ — Der brave General von 
Zieten hörte von diesem Vorfalle und bat sich selbst nach einiger Zeit 
it mehreren Vornehmen bei dem Rittmeister zu Gaste. Die Eltern 
des lehteren wünschten diesmal selbst, nicht am Tische zu erscheinen, weil 
sie sich derlegen fühlen würden. Als man sich setzen wollte, fragte der 
General: „über, Kurzhagen, wo sind Ihre Eltern? Ich denke, sie 
essen mit Ihnen an einem Tische!“ — Der Rittmeister lächelte und 
wußte nicht sogleich zu antworten. Da stand Zieten auf und holte die 
Ellern selbst herbei; sie mußten sich rechts und links an seine Seite 
seten, und er unterhielt sich mit ihnen auf's freundlichste. Als man 
ansing, Gesundheiten auszubringen, nahm er sein Glas, stand auf und 
sprach: „Meine Herren, es gilt dem Wohlergehen dieser braven Eltern 
nes verdienstvollen Sohnes, der es beweist, daß ein dankbarer Sohn 
mehr werth ist als ein hochmüthiger Rittmeister.“ 
Später fand der General Gelegenheit, dem Könige von der kind⸗ 
lichen Achtung zu erzählen, welche der Rittmeister seinen Eltern erwies 
und Friedrich U. freute sich sehr darüber. Als Kurzhagen einst nach 
Berlin kam, wurde er zur königlichen Tafel gezogen. „Hbr' Er, Ritt⸗ 
meister fragte der König, um seine Gesinnung zu erforschen, „von 
welchent Hause stammt Er denn eigentlich? Wer sind Seine Eltern?“ 
— „Ew. Majestät,“ antwortete Kurzhagen ohne Verlegenheit, „ich stamme 
aus einer Bauernhütte, und meine Eltern find Bauersleute, mit denen 
ich das Gluc theile, welches ich Ew. Majestät verdanke.“
	        
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