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Sieh' vom fernen Süden kommt's beladen,
Perlen leuchten und Demanten schimmern,
Von des Orients üppigen Gestaden
Wie die Gold- und Silberstoffe stimmern!
Hoch bedeckt den Bord mit Kunstgewebe
Von des deutschen Meeres sand'ger Küste,
Daß von Flandern's Kunststeiß Zeugniß gebe
Noch des Mauern fernste Dattelwüste,
Zieh'n ste ein in deinen mächt'gen Hafen
Reich bewimpelt. Freudenrufe schallen,
Denn vom fernsten Ost und Westen trafen
Sich die Freunde hier in deinen Hallen.
In dem luft'gen weißen Kaftan schreitet
Abgemessen dort der Orientale,
Neben ihm auf mächt'gem Schlachtroß reitet
Stolz der Normann, rings umhüllt vom Stahle.
Schwarz bemäntelt bricht der Toledaner
Mit Grandezza Bahn sich durch die Menge,
Wo mit leichter Zung' Napolitaner
Fläm'sche Händler treiben in die Enge.
Stolze Pisa, edelster der Steine
Bist du in Hesperiens Diademen3
Doch in deines Glückes hellstem Scheine
Schwebet rachedroh'nd ein blut'ger Schemen.
Lodernd stürzt' die Schwesterstadt zusammen 3
Deine Hand erwürgte ihre Söhne!
In Amalfi's blutgelöfchten Flammen
Lies das Schicksal deiner eignen Schöne!
An den Mauern deiner Goldpaläste
Sprießt das Gras aus bröckelndem Gesteine;
Durch verfallener Straßen öde Reste
Schleicht'ö mit scheuem Sclavenblick alleine.
O. Speyer.
Pisa am Arno, eine Meile vom Meere, sieht nicht aus
wre eine Stadt, welche einst gewaltige Kriegsheere ansgesendet,
welche Corsica, Sardinien und Sicilien beherrscht, im Orient Ero¬
berungen gemacht und auf dem ganzen Meere der Mitte eine
stolzere Flagge geführt hat, als Saracenen und Normannen. Man
sucht vergebens nach dem Hafen, von welchem die sieggewohnten
Galeeren der Pifaner ausliefen, vergebens nach den Mauern,
welche die Hunderttausende seiner Einwohner (im 13. Jahrhun¬
dert 150,000) bargen; wo einst Ankergrund für Kriegsschiffe