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34. Mit Gott!
Seele vereinigen. Ich weiß, daß ich ohne ihn nichts bin und nichts
vermag. — Ich will ein aufrichtiges und herzliches Wohlwollen gegen
alle Menschen, auch gegen die geringsten beweisen; — denn sie sind
alle meine Brüder. — Gegen die Bedürftigen will ich wohlthätig sein
in dem reichen Maße, worin mir Gott zeitliche Güter gewährt hat. Ich
will mich darin von keinem, der weniger besitzt, übertreffen lassen.“
34. Mit Gott!
1. Dreiundsiebenzig Jahre alt war der König Wilhelm, als der
Kaiser der Franzosen, Napoleon, ihm im Juli des Jahres 1870
plötzlich und ohne Grund den Krieg erklärte. Die Franzosen wollten
den Rhein erobern und rückten mit mehr als 300 000 Mann gegen
die deutsche Grenze an.
Da erhoben sich alle deutschen Stämme von dem Meere bis zu
den Alpen, die Preußen, Sachsen, Bayern, Schwaben, Hessen,
Hannoveraner und wie sie sonst heißen, einmütig gegen den Feind,
und aus allen Gauen führte der Oberfeldherr, König Wilhelm,
tapfere Scharen über den Rhein den Franzosen entgegen.
Es war am letzten Tage des Monats Juli, als der König seine
Residenz verließ, um sich an die Spitze des Heeres zu stellen, welches
schon an die französische Grenze gerückt war.
2. Vormittags hatte Se. Majestät noch den Gottesdienst im Dome
besucht. Als in der Stadt bekannt wurde, daß der König zur Armee
abreisen wolle, da sammelte sich das Volk um seinen Palast. Gegen
Abend bestieg der hohe Herr mit seiner Gemahlin einen offenen Wagen
und fuhr zweispännig die breite Straße entlang, welche nach dem Bahn—
hofe führt. Was war das für ein Anblick! Von dem Palaste an
standen die Zuschauer durch alle Straßen Kopf an Kopf! Ein viel—
tausendstimmiges, brausendes Hoch und Hurra empfing den greisen,
aber rüstigen Helden-König. Er trug seinen Soldatenmantel und eine
Feldmütze. Mit ernstem Antlitze saß er im Wagen und dankte durch
stilles Neigen des Hauptes auf den jubelnden Zuruf des Volkes. Ihre
Majestät die Königin war von den Zeichen der Liebe und Verehrung
tief ergriffen. Ein Strom von Menschen umwogte Schritt um Schritt
das Königspaar. Daher konnte der Wagen nur langsam fahren, so
dicht stand die Menge. Jeder wollte den geliebten König noch ein—
mal sehen, ihm einen Gruß zum Abschiede zurufen und glückliches
Wiedersehen wünschen. Das Herz des Landes zog mit dem königlichen
Feldherrn hinaus in die Ferne! Man weinte vor Wehmut und jubelte
vor Begeisterung. Von den Dächern wehten die Fahnen, aus den Fen—
stern grüßte man mit Tüchern, und zum Himmel auf stieg aus tausend
Herzen die Bitte um Sieg und frohe Heimkehr des Königs. Wer auf
dem Bahnhofe einen Platz gefunden hatte, hörte schon von ferne her
den Hurraruf. So kam der königliche Wagen heran und fuhr durch
die Tausende hindurch, welche entblößten Hauptes des Königs harrten.