Full text: [Teil 5 (Oberstufe, 2. Abteilung), [Schülerband]] (Teil 5 (Oberstufe, 2. Abteilung), [Schülerband])

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„Es muls alles beim alten bleiben“, sagte der Hofschulze 
feierlich. „Das war noch eine gute Zeit, als die Tafeln mit den 
Verzeichnissen der Lasten und Abgaben der Bauernschast in 
der Kirehe hingen. Dazumal stand alles fest, und kein Gezank 
hat sich darüber ergeben wie neuerdings nur zu ost. Hernach 
hiess es, die Tafeln mit den Hühnern und Viern und NMaltern 
Madelen der Andacht, und sio wurden hinweggethan. Im 
Gegenteil, sie hatten immer zu Predigt und Gesang gehört 
wie Amen und Segen. Ich für mein Teil, wenn iebh sie ansah, 
pesonders beim dritten Teilo oder bei der Nutzanwendung, hatte 
die erbaulichsten Gedanken bekommen, zum Exempel: „Uber- 
hebe dieh nicht; denn da steht geschrieben, wieviel Zinsroggen 
und Schosshafer du geben musst!“ oder auoh so: „Wenn du 
draussen Lasten zu tragen hast, hier im Gotteshause bist du frei. 
und was dergleichen mehr war. Nun aber, als man auf dĩe 
leeren Stellen sab, gingen die Gedanken immer wandern und 
suchten nach den Tafeln, und es dauerte geraume Zeit, ehe und 
pbevor die Menschen wieder recht nach dem Pastor hinhörten.“ 
Er ging in sein Haus. — „Das ist ein altor Racker!“ rief 
der Pferdehandler, als er seinen Handelsfreund nieht mehr sah, 
indem er den lackierten Hut verdriesslich wieder auf den Kopt 
stillpte. „Wenn der nieht will, so bringt ihn der Teufel nieht 
herum. Das schlimmste ist, dass der Rerl die besten Pferdeo 
in der Gegend zieht und sie im Grunde billig genug lossehlagt.· 
„Din starres. widerhaariges Volk hier zu Lande“, sagte der 
Rezeptor. „Ieh bin erst vor Kurzem aus Saclsen hĩerher versetzt 
worden und merke deèn Abstand. Dort wohnen die Leute bei- 
sammen, und deshalb müssen sie schon höflich und nachgiebig 
und bethulich miteinander sein. Aber hier in Westfalen siĩtat 
ein jeder auf seinem Kampe, hat sein Holz, sein Peld, seinen 
Wiegenwachs um sioh, als gube es sonst niohts in der Wolt. 
Darum halten sie aueh so steif auf ihre alten Sehnurren und 
Paxen, die anderwurts überall abgekommen sind. Was e— 
habe ieh sehon mit den andern Bauern wegen der dummen Um- 
schreibereien gehabtl Aber dieser hier ist doceh der sehlimmsto.“ 
„Das kommt daher, weil er s0 reieh ist“, bemerkte der 
Psferdehandler. „Mich wundert, dals Sis es mit den andern in 
der Bauernschaft ohne ihn durehgesetzt haben. Denn der hier 
Qder General und Advokat und alles; sio richten sieh in
	        
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