Full text: [Teil 5 (Oberstufe, 2. Abteilung), [Schülerband]] (Teil 5 (Oberstufe, 2. Abteilung), [Schülerband])

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scheidenern Ansprüchen einer minder hohen Stellung genügt hätte. 
Sie trug nicht kostbare Stoffe; in einem einfachen Musselin— 
kleide sah man sie. Der Schmuck ihres Hauptes waren die Locken 
ihres Haares. Aber die innere Schönheit ihrer Seele verbreitete 
majestätischen Glanz um ihre Erscheinung. 
229. Berlin und die Franzosen im Winter 1806/7. 
B. Volz. 
Nach der unglücklichen Schlacht bei Jena und Auerstädt begab sich 
das preußische Königspaar nach Ostpreußen; denn von hier aus galt es, 
den neuen Widerstand gegen den siegreichen Feind in die Wege zu leiten. 
Alles Land bis an die Elbe und bald auch bis an die Oder war unter— 
dessen dem rücksichtslosen Sieger preisgegeben. 
Am 25. Oktober war Napoleon in Potsdam. Er besuchte die Gruft 
Friedrichs des Großen; in Sanssouci nahm er den Degen des großen 
Königs, seinen Ordensstern und seine Schärpe weg und sandte sie nebst 
den Fahnen, die die preußische Garde im Siebenjährigen Kriege geführt 
hatte, als Siegeszeichen dem Invalidenhause in Paris. Hier in der Havel— 
residenz erschienen Abgesandte des Berliner Magistrats vor dem Sieger, 
um ihm die Schlüssel der Hauptstadt darzubieten. „Sie haben den Krieg 
gewollt“, herrschte er ungnädig die Erschrockenen an; „Sie haben ihn jetzt.“ 
Die Magistratsherren schoben die Schuld auf die Offiziere und den Zaren, 
und Napoleon ließ sich die unmännliche Entschuldigung gefallen. 
Am Nachmittage des 27. Oktober hielt Napoleon auf einem andalusischen 
Schimmel unter den Klängen der Marseillaise durch das Brandenburger 
Thor seinen Einzug in Berlin, Mamelucken voran, und am Schlusse des 
glänzenden Zuges die französischen Gardereiter. Dann wurden unter 
dröhnenden Trommelwirbeln die eroberten Fahnen feierlich einhergetragen, 
denen später in beschimpfender Schaustellung die Linden hinab das ehemals 
so glänzende preußische Gendarmenregiment folgte, entwaffnet, abgerissen, 
bleich, von bewaffneten Franzosen wie eine Herde begleitet. 
Der Gouverneur von Berlin, Graf Schulenburg⸗Kehnert, hatte sich 
begnügt, das Unglück, das den Preußischen Staat betroffen, den Bürgern 
durch rote Zettel an den Straßenecken mit den Worten anzuzeigen: „Der 
König hat eine Bataille verloren. Die erste Bürgerpflicht ist Ruhe; ich 
bitte darum.“ Dann hatte er seinen Schwiegersohn, den Grafen Hatzfeld, 
zum Civilgouverneur ernannt und selbst die Stadt verlassen. So fielen 
alle die reichen Vorräte an Kriegsmaterial und Plänen dem Sieger in die 
Hände. Nicht einmal die Kanonen aus dem Zeughause waren gerettet worden.
	        
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