Full text: Lesebuch für die Oberstufe der evangelischen Volksschulen des Herzogtums Oldenburg

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Während die Burgen schon vor den Kreuzzügen Mauern und Türme be— 
kommen hatten, wurde erst im vierzehnten und fünfzehnten Jahrhundert mehr 
Sorgfalt auf ihre Ausschmückung verwandt. Damals begann auch die Wohn⸗ 
lichkeit und Behaglichkeit im Innern der Herrenburgen der Festigkeit und Statt⸗ 
lichkeit im AÄußern zu entsprechen. In Deutschland gab es viele Hofburgen von 
groͤßartiger Anlage, künstlerischer Ausführung und reicher Ausstattung. Als eine 
der bedeutendsten erscheint noch heute die 147183 erbaute Albrechtsburg zu 
Meißen. Auch in der um 1385 ausgebauten Marienburg, in welcher der Hoch— 
meister des deutschen Ordens seinen Sitz hatte, bewundern wir eine der voll⸗ 
endetsten Burgbefestigungen des Mittelalters. Nicht weniger führen uns die 
wiederhergestellten Schlösser der Wartburg und des Hohenzollern in die glanz— 
volle Zeit des mittelalterlichen Fürstentums zurück. 
Nach August Sach. Deutsche Heimat.) 
368. Eine deutsche Stadt im Mittelalter. 
Um 1300 liegt die Stadt noch zwischen Wald und Wasser, von Holz, 
Teich, Bruch und Heide umgeben. Aus der Heide führt die Straße durch die 
Landwehr, einen Wall mit Graben, der das Stadtgebiet in weitem Kreise um— 
zieht; der Wall ist mit Dornengebüsch und Knicken besetzt, die Feinde abzuhalten. 
Hinter der Landwehr zeigt sich die Stadt; die Morgensonne glänzt von den 
Kuppeln der Stadtkirchen. Eine Binnenmauer scheidet die alte Stadt von einem 
neueren Teile; die Tore werden bei Nacht geschlossen. Sehr groß ist die Zahl 
der quadratisch oder rund gebauten Mauertürme, — München hatte deren damals 
gegen 100, Frankfurt zwischen 60 und 70. Erker springen aus der Mauer 
vor nach dem Stadtgraben; sie sind zum Teil heizbar, fest gedeckt und mit 
metallenen Kugeln geschmückt. Vor der Stadt steht auf einer Anhöhe der 
Rabenstein, und schwarze Vögel fliegen dort um formlose Bündel an dem hohen 
Stadtgalgen. Beim Hochgericht vorbei führt der Weg durch Äcker, Weiden und 
Gemüsegärten. An luftigen Stellen drehen nahe der Mauer Windmühlen ihre 
Flügel, wo ein Bach durch Wiesen läuft, klappern die Räder von Wasser— 
mühlen. uber den Fluß führt eine Brücke, sie bildet oben einen gedeckten Gang, 
mit Türmen an beiden Ufern, damit sie verteidigt werden kann; in der Mitte der 
Spannung steht das Bild des Schutzheiligen, mit Kruzifix und einem Opferstocke. 
Wer am Morgen die Stadt betritt, der begegnet sicher zuerst dem Stadt— 
vieh. Denn auch in den großen Reichsstädten treibt der Bürger Landbau, auch 
vornehme Häuser haben in engem Hofraum Viehställe und Schuppen. In den 
Straßen der Stadt traben die Kühe, ein Schäfer führt mit seinem Hunde die 
Schafherde auf die nahen Höhen. Die Schweine fahren durch die Haustüren 
auf die Straße und suchen dort ihre unsaubere Nahrung; der Rat verbietet zu— 
weilen, Schweineställe an der Straße zu bauen. Auch der Mist fehlt nicht; auf 
abgelegenen Plätzen lagern große Haufen, und wenn die Stadt sich einmal zu 
einem Kaiserbesuche oder zu einer großen Messe schmückt, dann läͤßt sie, um 
säuberlich auszusehn, nicht nur die Gehängten vom Galgen abnehmen, sondern 
auch den Dünger von Straßen und Plätzen der Stadt schaffen. 
Die Hauptstraßen sind hier und da gepflastert, längs der Häuser besondere 
Steinwege. Aber nicht überall war das so, in Frankfurt wurden die Haupi— 
straßen bis 1399 nur durch Holzwellen, Sand und kleine Steine gebessert doch 
muß der Weg oft schwierig gewesen sein; eß gab für die Domherren eine ge⸗ 
setzliche Entschuldigung, bei einer Beratung fehlen, wenn der Straßenschmutz
	        
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