289. Der Gustav-⸗Adolf⸗Verein.
Am Tage nach der Schlacht bei Lützen wälzte der treue Reitknecht Gustav
Adolfs mit Hilfe einiger Bauern einen großen Stein an die Stelle, wo sein
edler Herr für die Sache des Evangeliums sein Blut vergossen hatte. An diesem
„Schwedensteine“ versammelten sich am 16. November 1832 evangelische Männer
aus den benachbarten Dörfern und Städten und gedachten dankbar des frommen
Königs. In ihrem Kreise wurde der Wunsch rege, über dem Steine ein Denk—
mal für den Retter des evangelischen Glaubens zu errichten. Die Gaben flossen
reichlich, viel reichlicher, als man erwartet hatte. So blieb nach Bezahlung des
schlichten Denkmals, das sich jetzt an der Straße zwischen Leipzig und Lützen erhebt,
noch eine ansehnliche Summe übrig. Diese bestimmte man zu einer Stiftung,
aus der arme evangelische Gemeinden in katholischer Umgebung unterstützt werden
sollten, und man nannte sie zur Erinnerung an den Beschützer des Protestantis—
mus Gustav⸗Adolf-Stiftung. Der Zweck der Stistung fand in immer weiteren
Kreisen der evangelischen Kirche Billigung, und etwa zehn Jahre später wurde
aus der Stiftung der Gustav-Adolf-Verein, der sich nach und nach über ganz
Deutschland, über Osterreich und Ungarn verbreitet hat und eine Quelle reichen
Segens für die evangelische Kirche geworden ist.
Im Anfange des siebzehnten Jahrhunderts war die Bevölkerung Nord—
deutschlands ganz und die Süddeutschlands und Osterreichs zu neun Zehnteln
evangelisch. Da aber kamen Schüler der Jesuiten, wie Ferdinand von Steier—
mark, der spätere Kaiser Ferdinand II.. und Maximilian von Bayern, zur Re—
gierung; die wollten „lieber über eine Wüste, als über ein Land voll Ketzer
regieren.“ Und nun begann die Bedrückung der Evangelischen; ihre Prediger
wurden vertrieben, ihre Kirchen römischen Priestern überwiesen. Die treu zum
evangelischen Glauben hielten, wurden ihrer Habe beraubt und aus dem Lande
gewiesen. Bibeln und Gesangbücher wurden weggenommen und verbrannt und
der evangelische Gottesdienst bei schwerer Strafe verboten. Dann kam die Not
des dreißigjährigen Krieges; wo die Kaiserlichen einzogen, unterdrückten sie die
protestantische Lehre. Dennoch hielten sich im Verborgenen kleine evangelische
Gemeinden. So bekannten sich die Bauern der Ramsau, eines abgelegenen
Tales in den Alpen, äußerlich zur katholischen Lehre, aber im geheimen waren
sie Protestanten. Unter den Dielen ihrer Stuben, ja im Stalle unter der Krippe
einer „stoßigen“ Kuh versteckten sie ihre Bibeln und Gebetbücher und holten
sie nur nachts hervor, um sich an Gottes Wort zu erbauen. Ab und an kamen
aus der Ferne verkleidete Prediger und reichten ihnen hoch oben auf einem ab—
gelegenen Berge oder im Walde das heilige Abendmahl. Erst 1781, als der
edle Kaiser Joseph II. ein Gesetz gab, daß auch in Osterreich die Protestanten
ihren Glauben frei bekennen und Gottesdienst halten dürften, erklärten die Rams—
auer: Wir sind alle lutherisch. Aber eine Kirche hatten sie noch lange Jahre
nicht, sondern hielten ihren Gottesdienst in einer Scheune. So war's an vielen
Orten. Im neunzehnten Jahrhundert mehrte sich die Zahl der Evangelischen,
die mitten unter den Katholiken lebten, immer mehr. Als Bergleute, Fabrik—
arbeiter und Beamte ziehen Evangelische in Gegenden, wo sie wohl ihr gutes
Brot haben, aber keine Predigt hören und nie das Abendmahl feiern
können. Und nun ist in unseren Tagen unter den Deutschen Osterreichs, in
Böhmen, Mähren, Steiermark und an andern Orten eine große Bewegung ent—
standen. Viele Leute sehen ein, daß die römische Kirche das Evangelium des
Heilandes nicht rein und lauter verkündet; sie sehnen sich nach Gottes Wort und
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