Full text: [Band 3, [Schülerband]] (Band 3, [Schülerband])

— 114 — 
Advokaten Krohn am Fenster, als mitten in unser Plaudern plötzlich 
ein ganz erschrecklicher Donnerschlag geschah, so daß jener vor Schrecken 
neben mir niederstürzte und wie ohne Leben und Besinnung schien. 
In der Tat glaubte ich auch nichts gewisser, als daß er von dem 
Blitzstrahle getroffen worden, bis mein Rütteln und Schütteln ihn 
endlich doch wieder auf die Beine brachte. „Wo hat es eingeschlagen?“ 
fragte er immer noch hoch bestürzt. — „Ich hoffe nirgends,“ war 
meine Gegenrede, „oder mindestens doch nicht gezündet, da Regen, 
Schnee und Hagel die Luft erfüllen und alle Dächer triefen.“ 
Allein im nämlichen Augenblicke stürzte der Kaufmann Herr 
Steffen, der schräg gegenüber wohnte, aus seinem Hause hervor, schlug 
die Hände über dem Kopfe zusammen, schrie aus Leibeskräften und 
richtete den Blick immer nach dem Kirchturme empor, den er jenseits 
wahrnehmen konnte. Ich ahnte Unheil, lief also stracks hinüber, 
mußte aber lange auf ihn einreden, bevor ich's von ihm herauskriegte: 
„Mein Gott, unsere arme Stadt! Sehen Sie denn nicht? Der 
Turm brennt ja lichterloh!“ So war es denn auch wirklich. Die 
helle Flamme spritzte bei der Wetterstange gleich einem feurigen 
Springbrunnen empor, aus den Schallöchern sprühten die Funken 
umher wie Schneeflocken und flogen bereits bis in die Domstraße 
hinüber. 
Herzlich erschrocken rannte ich nach der Kirche und die Turm— 
treppe hinan. Im Hinaufsteigen überdachte ich mir, wie groß das 
Unglück werden könne und müsse, da wohl schwerlich jemand sich's 
unternehmen werde, bis in die höchste Spitze hinanzuklimmen, wo er 
in den finsteren Winkeln nicht einmal so bekannt sei als ich, der ich 
sie in meiner Jugend so vielfältig und so oft mit Lebensgefahr durch— 
krochen hatte. „Also nun frisch drauf und dran!“ rief eine Stimme 
in mir — „du weißt hier ja Bescheid!“ 
In der Tat wußte ich auch, daß droben auf dem Glockenboden 
stets Wasser und Löscheimer bereit standen; aber an einer Handspritze, 
die hier hauptsächlich not tun würde, konnte es leicht fehlen. Dies 
erwägend, machte ich auf der Stelle rechtsum, drängte mich mit Mühe 
neben den vielen Menschen vorüber, die alle noch oben hinauf wollten, 
flog gleich ins erste nächste Haus und rief um eine Spritze, die aber 
hier wie auch im zweiten Hause nicht zu finden war und meiner 
steigenden Ungeduld erst im dritten gereicht wurde. 
Jetzt wieder — die Angst und der Eifer gaben mir Flügel — 
zum Turme hinauf! In der sogenannten Kunstpfeiferstube, die dicht 
unter der Spitze liegt, fand ich bereits mehrere Maurer- und Zimmer— 
leute mit ihren Meistern an der Spitze, die indes alle nicht recht zu 
wissen schienen, was hier zu tun oder zu lassen sei. „Liebe Leute,“
	        
Waiting...

Note to user

Dear user,

In response to current developments in the web technology used by the Goobi viewer, the software no longer supports your browser.

Please use one of the following browsers to display this page correctly.

Thank you.