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209. Ottos IJ. Wahl und Krönuns.
Als Heinrich nicht mehr war, versammelten sich alsbald die
Pranken und Sachsen zur Wahl des neuen Königs. Denn waren
Früher die Franken allein der herrschende Stamm im Reiche
gewesen, so teilten sis jetzt dis Wahl mit den Sachsen. Auf
der Vereinigung dieser beiden Stämme beruhte die Gewalt, die
Heinrich begrũndet hatte. Sachsen und Franken bildeten gleich-
gam den Kern des Reiches, welchen die anderen deutschen
Lunder — Schwaben, Bayern und Lothringen — noch in loserm
Zusammenhange uraschlossen. Hatte aueb Heinrich schon Otto,
einen ältesten Sobn von Mathilde, als seinen dereinstigen Nach-
folger bezeichnet und die Zustimmung der Vürsten zu dessen
Wahl gewonnen, so war doch dio Walhlhandlung selbst dadurch
koeineswegs beseitigt. Schon regten sich hier und da Zweifel, ob
es geraten sei, nach dem Willen des Vaters Otto auf den Thron
ebeben. Aber wie auch Neigung und Stimmung wecehseln
nochten: als es zur Wahl kam, blieb man doeh dem gegebenen
Versprechen getreu. Ohno Widerspruch wurde Otto von Eranken
nd Sachsen zum Könige gewählt. Aber diese Wahbl genũgte
dem jungen Könige nicht; er verlangte nach einer vollstãndigern
Anericennung seiner königlichen Stellung. Man bestimmte daber,
zu Aachen, in der alten Kaiserburg Karls des Groben, hätten
sich Herzöge, Grafen und Reichsvasallen zu versammeln, um die
getroffons Wahl allgemein anzuerkennen und dem neuen Könige
u huldigen, der dann nach altem Brauche gesalbt und gekrõnt
werden sollte.
So geschah es am 8. August des Jahres 936. In der Säulen-
halle, weloho die Kaiserpfalz mit dem Münster verband, stand
der Marmorstubhl Karls des Groben, der Erzthron des Reichs.
Rier versammelten sich die Großen, erhoben Otto auf den Thron
und gelobten ihm unter Handschlag Treue auf immerdar und
Beistand gegen alle seine Widersacher. Nach der Huldigung
begab sich Otto, von den Herzögen, Grafen und Herren begleitet,
in foierlichem Zuge zum Münster. Wor nach Aachen kommt,
ird diese Kirche noch heute dort sehen. In dor Gestalt eines
Achtecks steigt sio zu mächtiger Hõhe empor, oben umkreist von
emn zwiefachen Umgang. In der Nitte aber auf dem Boden
iot die Stello bezeichnet, wo RKaiser RKarl sein Grab gefunden hat.
Die Gunge oben erfüllte damals dieht gedräüngt das Volk, das
Jon weit und breit zu dem großen Pesto herbeigestrõmt war.