28. Zwei treue Männer. 29. Der alte Nettelbeck.
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28. Zwei treue Männer
Als die Franzosen 1806 die Preußen gänzlich besiegt hatten,
ließen sie dem alten Commandanten von Graudenz, Courbiére, 9
sagen, er möge die Festung ruhig überliefern, es gäbe ja keinen König
von Preußen mehr; da gab er ihnen zornig und muthig die Antwort:
„Nun, so bin ich König in Graudenz und lasse keinen Franzosen ein!“
Der alte 70jähr. Hermann vertheidigte mit einer Invaliden—
schaar die verfallene Festung Pillau.
Wild wie ein Sturm im Ocean
greift der Franzos die Festung an,
und rings um eine Todtenbahr'
steht dirin die Invalidenschaar
mit ihrem Oberst auf dem Plane.
Von Pillau weht die Preußenfahne.
n
Da snricht der Alte wortekarg:
. Kameraden, steht mein Sarg!
So lang' mein Leib nicht drinnen liegt,
geb ich den Franzen Pillau nicht.
Wir kämpfen bis zum letzten Manne!“
Von Pillau weht die Preußenfahne.
Das Häuflein schwört bei seinem Gott
einmüthig: „Preußen oder Tod!“
Und stürmt der Franzmann noch so arg,
der Oberst steht bei seinem Sarg,
in seiner Hand die Preußenfahne
Hurrah dem alten Ehrenmanne!
29. Der alte Nettelbeck.
Auch in Kolberg waren Bürger und Soldaten eines Sinnes.
Alle wollten dem Könige Treue bewahren und lieber Hab und Gut
und das Leben verlieren als die Ehre und ein gut Gewissen. Aber
der alte, schwache Commandant war schwankend, und man weiß nicht,
was doch geschehen wäre, wenn sich nicht Nettelbeck in's Mittel
gelegt hätte. Das war ein ehrsamer Bürger, der als Seemann und
in mancherlei Fährlichkeiten zu Lande seine Kraft und seinen Muth
schon bewiesen hatte. Er war damals bald 70 Jahre alt, aber das
Herz saß ihm auf dem rechten Flecke. Und so wie er waren alle
Kolberger Bürger. An Uebergabe durfte nicht gedacht werden. Was
gesunde Hände hatte, half schanzen zur Befestigung des Platzes. Sein
Vermögen setzte Nettelbeck daran, die Soldaten zu verpflegen und bei
gutem Muthe zu erhalten. Wohl wurde die Stadt heftig beschossen,
aber mitten im Kugelregen löschten die Bürger das Feuer. Mit
Nettelbeck eines Sinnes war der Lieutenant Schill, der verwundet von
dem Schlachtfelde bei Auerstädt nach Kolberg gekommen war.
Seine Freischaar vergrößerte sich immer mehr. Mit ihr machte er
V Curbiär.