Full text: Lehr- und Lesebuch für die Oberstufe in Volksschulen

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Als nun bald darauf König Karl nach Niederland 2og, um eĩnen 
Reichstag zu Neumagen am Rlieine zu halten, kam die Herzogin mit 
ihrer Toehter aueh dahnin, klagte gegen ihren Sehwager und begehrte 
Recht von dem König. Dieser aber sah dureh ein Fenster und erbliekte 
einen weiben Sehwan, der sohwamm den Rhein herab und zog an 
einer hellglänzenden silbernen Kette ein Schifflein nach sieh. In dem 
Schifflein aber ruhte ein sehlafender Ritter; sein Schild war sein Haupt- 
kissen, und neben ihm lagen Helm und Halsrüstung. Der Schwan steuerte 
gleieh einem geschiekten Seemann und brachte sein Schiff an das Gestade. 
Karl und der ganze Hof verwunderten sieh höchlieh über dieses Ereignis; 
jedermann vergakß der Klage der Frauen und lief hinab dem Ufer zu. 
Unterdessen war der Ritter erwacht und stieg aus der Barke. WMohbl 
und herrlich empüng ihn der König, nahm ihn selbst bei der Hand und 
führte ihn gegen die Burg. Da sprach der junge Ritter zu dem Vogel; 
„Flieg deinen Weg wohl, lieber Sehwan! Wenn ieh deiner wieder be- 
darf, werde ieh dĩeh rufen.“ Sogleieh sehwang sieh der Sehwan in die 
Höhe und fuhr mit dem Schifflein vor aller Augen hinweg. Jedermann 
sah jetezt den Gast neugierig an; Karl ging wieder auf seinen Richterstuhl 
und wies dem Jüngling eine Stelle bei den andern Fürsten an. 
Die Herzogin von Brabant hub nun in Gegenwart ihrer schönen 
Tochter ausfũbrlich zu lagen an, und hernach verteidigte sien aueh der 
Herzog von Sachsen. EUndlich erbot er sien zum Kampfe für sein 
Recht; die Herzogin solle inm nur einen Gegner stellen, um das ihrige 
zu behaupten. Da erschrak sie heftig; denn er war ein auserwählter 
Held, mit dem sieh niemand in einen Kampt einlassen werde. Vergebens 
lieb die ihre Augen im ganzen Saale umhergehen, keiner war da, der sieh 
erboten hätte. Ihre Tochter Klagte und weinte laut. Da erhob sich der 
Ritter, den der Sehwan ans Land geführt hatte, und erbot sieh, ihr 
Kumpfer zu sein. Hierauf rüstete man sieh von beiden Seiten zum Streite, 
und naeh einem langen, hartnäckigen Kampfe war der Sieg auf der Seite 
des Schwanenritters. Der Herzog von Sachsen verlor sein Leben, und 
das Herzogtum war wieder frei. Die Herzogin und ihre Tochter verneigten 
sieh vor äem fremden Helden, und er nahm die ihm angetragene Hand 
der Jungfrau unter der Bedingung an, dak sie nie und zu keiner Zeit 
fragen solle, woher er gekommen und wolches sein Geschlecht sei. 
Der Hérzog und die Herzogin bekamen z2wei Kinder, die waren wohl 
geraten; aber ĩimmer mehr fing es an, die Herzogin zu wundern, wer und 
Fessen Geschlechtes ihr Mann, der Herzog sei, und endlieh that sie die 
verbotens Frage. Der Ritter erschrak heftis und sprach: „Du hast nun 
selbst unser Gluek zerstört und mieh am längsten gesehen.“ Die Herzogin 
bereuteo ihre Neugierde, die Unterthanen baten den Herzog kniefällig, bei 
ihnen zu bleiben, allein der Held wasffnete sieh, und der Sehwan Lam mit 
dem Schifflein angeschwommen. Da kübte der Herzog seine Kinder und 
die Mutter, segnete das Volx und das Land, stieg in das Schiff, fuhr von 
dannen, und niemand hat ihn wieder gesehen. 
Die Herzogin beklagte ihren Verlust ihr Leben lang. LIhre Kinder 
aber erzog sie 2u guten Mensehen mit volksfreundlichen Gesinnungen, und 
von diesen sstammen viele edle Gesehlechter, die von Geldern sowohl 
als von Kleve, aueh die Rieneceker Grafen und manche andere; alle 
fülren den Sehwan im Wappen.
	        
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