Object: Die Geschichte der neuern Zeit (Bd. 3)

36. Die protestantische Union und die katholische Liga. 
Kaiser wandte, ergriffen der Kurfürst von Brandenburg und der Psalzgraf 
von Neuburg (an der Donau) Besitz von den erledigten Landen, ohne auf 
das deßhalb erlassene Verbot des Kaisers zu achten. Die von diesem ver¬ 
fügte Sequestration und die Absendung des Erzherzogs Leopold nach Jülich 
erweckten vielmehr ben Verdacht, daß der Kaiser selbst die Absicht habe, die 
erledigten Lanbe im Namen bes Reichs einzuziehen und sie seinem Hause 
zuzuwenden: daher vereinigten sich die beiden im Besitze befindlichen (bie sog. 
„poffebirenben") Fürsten durch den Dortmunder Vertrag (31. Mai 1609) mit 
einander zur gemeinschaftlichen Vertheidigung ihrer Ansprüche, zur einstwei¬ 
ligen gemeinsamen Verwaltung des Landes und zur spätern gütlichen Aus¬ 
gleichung ihres Streites. Sie schlossen sich zugleich an die Union an und 
erhielten von dem Könige Heinrich IV. von Frankreich so aufmunternde 
Versprechungen, daß sie gegen den Erzherzog Leopold als den Vollstrecker 
der kaiserlichen Sequestration feindselig aufzutreten wagten. Als aber statt 
der erwarteten französischen Armee bie Nachricht ankam, baß der König von 
Frankreich ermordet worden sei, suchte die Union durch einen Frieden die 
Liga zur Niederlegung ber eben ergriffenen Waffen zu bewegen; sie verglich 
sich zuerst mit bem Erzherzog Leopold über die Räumung des Bisthums 
Straßburg, bann auch mit dem Herzog Maximilian von Baiern über die 
gegenseitige Abdankung der geworbenen Truppen. Die Einigkeit der beiden 
„posiedirenden" Fürsten hörte aber mit der Entfernung der äußern Gefahr 
auf. Zu ihrer Aussöhnung ward zwar eine Vermählung des Pfalzgrafen 
von Neuburg mit ber Tochter des Kurfürsten von Brandenburg in Vorschlag 
gebracht, allein durch eine Ohrfeige vereitelt, welche der Kurfürst in der Hitze 
des Zornes und Rausches seinem künftigen Schwiegersöhne gab. Der Pfalz¬ 
graf suchte sich nun durch eine Verschwägerung mit dem baierischen Hause 
und durch den öffentlichen Uebertritt zur katholischen Kirche den Beistand der 
Liga und der Spanier zu verschaffen, während der Kurfürst von Branden¬ 
burg die resormirte Religion annahm, um an der Republik ber vereinigten 
Niederlande eine Stütze zu erhalten. Da die jülich-clevischen Lande im 
Vergleich zu Xanten 1614 zwischen dem Pfalzgrafen von Neuburg und dem 
Kurfürsten von Brandenburg getheilt wurden, so brauchte keine Partei über 
die Gebietsvergrößerung der andern neidisch zu sein. 
Dieser Erbfolgestreit ging also vorüber, ohne, wie im Anfange gefürchtet 
ward, den allenthalben angehäuften Stoff der Zwietracht zu entzünden; der 
Anstoß zu einer allgemeinen Störung der Ruhe von Europa kam vielmehr 
von ben österreichischen Erblänbern und von der fortdauernden Entzweiung 
und Zerrüttung des habsburgischen Hauses her. Die Unfähigkeit des in 
Spanien erzogenen und mitunter gemütskranken Kaisers Rudolf II., der 
sich meistens nach Prag zurückzog und dort mit gelehrten Liebhabereien 
beschäftigte, bewog die Stände von Ungarn, dem Bruder des Kaisers, 
Matthias, die Leitung der Geschäfte zu übertragen. Die Böhmen, welche
	        
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