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„Das zweite Mal erinnerte ich mich an alle Leiden meines Lebens
— und freute mich, daß sie nun für mich ihre Dornen verloren haben,
und die Zeit da ist, wo fie mir Rosen bringen werden.“
„Das dritte Mal gedachte ich des Todes — und mußte lächeln,
daß die Menschen diesen Engel Gottes, der sie von allen Leiden befreien
und in die Wohnungen ewiger Freuden einführen will, sogar fürchten
und scheuen können.“ Chr. Schmid.
50. Die drei Freunde.
Traue keinem Freunde, worin du ihn nicht geprüft hast. An der
des Gastmahls giebt es mehr derselben als an der Thüre des
erkers.
Ein Mann hatte drei Freunde. Zwei derselben liebte er sehr, der
dritte war ihm gleichgiltig, ob dieser es gleich am redlichsten mit ihm
meinte. Einst war er vor Gericht gefordert, wo er hart, aber unschuldig
verklagt war. „Wer unter euch,“ sprach er, „will mit mir gehen und
für mich zeugen? denn ich bin hart verklagt worden, und der König
zürnet.“
Der erste seiner Freunde entschuldigte sich sogleich, daß er nicht
mit ihm gehen könne wegen anderer Geschäfte. Der zweite begleitele
ihn bis zur Thür des Richthauses, da wandte er sich und ging zurück
aus Furcht vor dem zornigen Richter. Der dritte, auf den er am
wenigsten gebaut hatte, ging hinein, redete für ihn und zeugte von seiner
Unschuld so freudig, daß der Richter ihn losließ und beschenkte.
Drei Freunde hat der Mensch in dieser Welt. Wie betragen sie
sich in der Stunde des Todes, wenn ihn Gott vor Gericht fordert?
Das Geld, sein bester Freund, verläßt ihn zuerst und geht nicht mit
ihm. Seine Verwandten und Freunde begleiten ihn bis zur Thür des
Grabes und kehren wieder in ihre Häuser. Der dritte, den er im Leben
oft am meisten vergaß, sind seine wohlthätigen Werke. Sie allein be—⸗
gleiten ihn bis zum Throne des Richters, sie gehen voran, sprechen für
shn und finden Barmherzigkeit und Gnade. Herder.
51. Die wüste Insel.
Ein reicher, gutthätiger Mann wollte einen seiner Sklaven glücklich
machen. Er schenkte ihm die Freiheit und ließ ihm ein Schiff mit vielen
köstlichen Waren ausrüsten. „Geh,“ sagte er, und segle damit in ein
fremdes Land, wuchre mit diesen Waren, und aller Gewinn soll dein
sein!“ Der Sklave reiste ab. Aber kaum war er einige Zeit auf der See,
als sich ein heftiger Sturm erhob und sein Schiff gegen eine Klippe
warf, daß es scheiterte. Die köstlichen Waren versanken im Meere, alle
seine Gefährten kamen um, und er selbst erreichte mit genauer Not die
Ufer einer Insel. Hungrig, nackt und ohne Hilfe ging er tiefer ins Land
und weinte über sein Unglück, als er von fern eine große Stadt erblickte,