Full text: Lesebuch für Oberklassen deutscher Volksschulen (3, [Schülerband])

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„Ei, ja wohl! allerdings!“ — Wer ich weiß nicht, so ganz doch wohl 
nicht. Denn da lief noch ein Anderer herum; das war der Tanzmeister, Herr 
Flint; der guckte aller Welt ins Gesicht und plauderte mit Allem, was nur ein 
Ohr hatte, immer die Reihe herum; und den, Herr Till, wie meint Er wohl, 
daß die Leute den hießen? 
Einen lustigen Kopf?“ — Beinahe! Sie hießen ihn auch einen Narren. 
Hui! dacht ich da wieder; das ist doch drolligl Wie mußt du's denn machen, 
um klug zu heißen? Weder ganz wie Herr Veit, noch ganz wie Herr Flink. 
Erst siehst du den Leuten hübsch dreist ins Gesicht wie der Eine, und dann siehst 
du hübsch bedächtig in dich hinein wie der Andere. Erst sprichst du laut mit 
den Leuten wie Herr Flink, und dann insgeheim mit dir selbst wie Herr Veit. 
Sieht Er, Herr Till, so hab' ich's gemacht, und das ist das ganze Geheimniß. 
Ein andermal besuchte ihn ein junger Kaufmann, Herr Flau, der gar sehr 
über sein Unglück klagte. Ei was! fing der alte Witt an und schüttelte ihn: 
Er muß das Glück nur suchen, Herr Flaul Er muß danach aus sein. —, Bas 
bin ich ja lange; aber was hilft's ? Immer kommt ein Streich über den andern! 
Nunftig lege ich die Hände lieber gar in den Schooß und bleibe zu Hause.“ — 
Ach nicht doch, nicht doch, Hexx Flaul! Gehen muß Er immer danach, aber 
sich nur hübsch in Acht nehmen, wie Er's Gesicht trägt. — „Was? wie ich's 
Gesicht trage?“ — Jda, Herr Flau! wie Er's Gesicht trägt. Ich will's Ihm 
erllären. — Als da mein zur Linken sein Haus baute, so lag einst die 
ganze Straße voll Ballen und Steine und Sparren; und da lam unser Bürger— 
meister gegangen, Herr Trick, damals noch ein blutjunger Rathsherr; der rannte 
mit von sich geworfenen Armen ins Gelag hinein und hielt den Nacken so steif, 
daß die Nase mit den Wollen so ziemlich gleich war! Plump! lag er da, brach 
ein Bein und hinkt noch heutiges Tages davon. — Was will ich nun damit 
sagen, lieber Herr Flau? 
F, die alte Lehre: Du sollst die Nase nicht allzu hoch tragen · — dJa 
fieht Er? Aber auch nicht allzu niedrig. — Denn nicht lange danach kam noch 
in Anderer gegangen; das war der Stadtpoet, Herr Schall; der mußte entweder 
Verse, oder Haussorgen im Kopfe pn denn er schlich ganz trübsinnig einher 
und guckte in den Erdboden, als ob er hineinsinken wollte. Krach! riß ein Seil, 
der Ballen herunter, und wie der Blitz vor ihm nieder. Vor Schrec fiel der 
arme Mann in Ohnmacht, ward krank und mußte ganze Wochen lang aus— 
halten. — Merkt Er nun wohl, was ich meine, Herr Flau? Wie man's Gesicht 
tragen muß? — 
„Sie meinen, so hübsch in der Mitte.“ — Jda freilich! daß man weder zu 
leck in die Wolken, noch zu scheu in den Erdboden sieht. — Wenn man so die 
Augen fein ruhig, nach oben und unten und nach beiden Seiten umherwirft, so 
ommt man in der Welt schon vorwärts, und mit dem Unglücke hat's so leicht 
nichts zu sagen. 
Noch ein andermal besuchte den Herrn Witt ein junger Anfänger, Herr 
Wills; der wollte zu einer kleinen Speculation Geld von ihm borgen. — ‚Viel“, 
sing er an, „wird dabei nicht herauslommen; das seh ich vorher; aber es reunt 
nir so von felbst in die Hände, da will ich's doch mitnehmen.“ — Dieser Ton 
fland dem Herrn Witt gar nicht an. Und wie viel meini Er denn wohl, lieber 
herr Wills, daß Er braucht? — 
„Ach nicht viell Eine Kleinigkeit! Ein hundert Thälerchen etwa.“ — Wenn's 
nicht mehr ist, die will ich Ihm geben. Recht gern, und damit Er sieht, daf
	        
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