Full text: Lesebuch für Oberklassen deutscher Volksschulen (3, [Schülerband])

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Alte Geschichte. 3. Periode. Römer. 
Aus der Sorglosigkeit, in welche ihn Kleopatra eingewiegt 
hatte, fuhr er plötzlich auf, als er hörte, daß Octavius indessen 
in Rom fleißig an der Vergrößerung seiner Macht arbeitete und 
daß es bald so weit kommen würde, daß er auch ihn verdränge. 
Er nahm also Abschied von ihr und reiste nach Italien ab. Die 
erste Nachricht, die er hier erhielt, war die vom Tode seiner 
Frau, Fulvia. Bei seinem großen Leichtsinne tröstete er sich 
bald; wie hätten sich auch zwei Leute, die beide so lasterhaft 
waren, einander recht herzlich lieben können! Mit Octavius ver¬ 
söhnte er sich wieder; beide schlossen in Brundusium einen Ver¬ 
trag, und diese neue Freundschaft durch ein neues Band zu be¬ 
festigen, heirathete Antonius des Octavius Schwester Octavia. 
Von dieser Verbindung hoffte man für den leichtsinnigen 
Antonius recht gute Folgen. Octavia war äußerst schön, höchst 
liebenswürdig, hatte einen richtigen Verstand und war vor Allem 
eine herzensgute Frau. Eine Zeitlang schien es auch, als wenn 
Antonius noch zu bessern sei. Er lebte mit ihr glücklich, hatte 
sie recht lieb und fing schon an, am häuslichen Glück Geschmack 
zu finden. Nachdem er etwa ein Jahr noch in Rom geblieben 
war, ging er nach Athen, wohin er sie mitnahm, und hatte hier 
die Freude, daß sie ihm eine Tochter zur Welt brachte. Er be- * 
schäftigte sich jetzt auch thätiger mit der Verwaltung seiner Län¬ 
der, machte selbst Feldzüge mit — kurz, es schien, als sei mit 
der Octavia ein guter Geist in sein Haus gekommen. Die Freund¬ 
schaft mit Octavius dauerte aber nicht lange. Antonius mußte 
deshalb wieder nach Italien und es fehlte nicht viel, daß sie sich 
damals schon einander bekriegt hätten. Da übernahm die gute 
Octavia das Geschäft, den Bruder und den Gatten zu versöhnen. 
Sie bat den Antonius, daß sie zu ihrem Bruder vorausreisen 
dürfe. „Ach!" sprach sie zu diesem, „laß mich nicht aus einer 
der glücklichsten Frauen eine der unglücklichsten werden. Kommt 
es zum Kriege zwischen euch, so ist es zwar ungewiß, wer von 
euch siegen und wer besiegt werden wird; aber auf jeden Fall 
werde ich höchst unglücklich sein." Da nun Beide sie liebten — 
wer hätte auch die treffliche Frau nicht lieben sollen? —- so 
brachte sie es dahin, daß Einer des Andern Unrecht vergaß und 
sie einander bei einer Zusammenkunft in Tarent, als Schwäger 
umarmten. Nach kurzem Zusammensein mußten sie sich wieder 
trennen. Antonius reiste wieder nach Asien zurück und ließ, unter 
dem Vorwände, daß sie die Beschwerden eines Feldzuges nicht
	        
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