Full text: Lesebuch für die Oberklassen der Elementarschulen in Elsaß-Lothringen

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16. Ein Vild der Städte am Schlusse des 
183. Jahrhunderts. 
Hohe, oft doppelte Mauern, sowie Graben und Wall umgaben 
die Städte; Wehrtürme krönten die Mauern. Das ganze Weichbild 
der Stadt war mit einem Graben, einer Landwehr, umzogen, deren 
Zugänge feste Warten bezeichneten. Wächter lugten aus ihnen nach 
den Landstraßen aus und meldeten durch Zeichen jede Gefahr oder 
das Herannahen von Kaufmannszügen, denen in unsicherer Zeit ein 
bewaffnetes Geleit entgegenging. Das Rathaus, auch wohl Bürger⸗ 
haus genannt, ragte in der Stadt über alle Gebäude weltlichen Ge— 
brauchß hervor; auf seinem schlanken Turme hing die Glocke mit den 
Glöcklein, die zur Rats-, zur Gemeindeversammlung oder sonst zu 
ernsten Dingen riefen. Von ihm aus lugte der Wächter ins Weile. 
Kirchen und Rathäuser, Kaufhallen und Zunfthäuser wurden gemeinsam 
mit gro*er Ausdauer prachtvoll aufgebaut, besonders die Kirchen. 
Himmelho erhoben sich die Türme. 
Die Vürgerhäuser blieben Jahrhunderte hindurch sehr einfach. 
Sie bestanden nur aus Fachwerk und ragten mit dem Giebel nach 
der Straße. Die obern Stockwerke traten über die untern hervor 
und verengten die schmalen Gassen so sehr, daß sie kaum den Himmel 
durchblicken ließen. Diese Bauart begünstigte die ungeheuern Feuers— 
brünste, welche alle unsere Städte in schrecklicher Wiederkehr heim— 
suchten, aus denen sie aber auch ebenso schnell sich wieder erhoben. 
Die häusliche Einrichtung entspre der Einfachheit des Zeit— 
alters. Der Hausrat war dem einfachsten Bedürfnisse gemäß und roh 
gearbeitet. Beim Mahle aßen Mann und Frau aus einer Schüssel; 
ein oder zwei Becher dienten der ganzen Familie; Fackeln und La— 
ternen leuchteten bei Nacht den Schmausenden; Kerzen gab es nicht. 
Die Glasur irdener Gefäße kam um diese Zeit erst auf. Selbst in 
vermögenden Häusern wohnte der Sohn des Hauses mit feiner jungen 
Frau im Hinterstübchen bei den Eltern; ohne eine eigene Wirtschaft 
zu haben, ging er bei ihnen in Kost. 
Dennoch fand selbst schon jenes Jahrhundert gesetzliche Be— 
schränkungen der Prunkliebe und Schwelgerei nötig, die besonders bei 
Festen geübt wurde. So wurden in Worms die Gastmähler und 
Gelage untersagt, welche man im Hause Gestorbener zu halten 
pflegte, wenn diese zu Grabe getragen waren. Wer dagegen fehlte, 
sollte dreißig Schilling Strafe zahlen. Die strengen Niedersachsen 
duldeten bei Hochzeiten nicht mehr als zwölf Schüsseln und drei
	        
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