Full text: [Teil 3 = Kl. 4 u. 3] (Teil 3 = Kl. 4 u. 3)

420 
hätten sie einen ewigen Sommer zu verkündigen. Kupfer- und 
Zinngeschirr schlugen sie zusammen und packten die gebogenen 
und verdorbenen Stücke ein. Bettladen, Tische, Stühle und Bänke 
verbrannten sie, da doch viele Klafter dürres Holz im Hofe lagen. 
5 Häfen und Schüsseln mußten endlich alle entzwei, entweder weil 
sie lieber Gebratenes aßen, oder weil sie bedacht waren, nur eine 
einzige Mahlzeit allda zu halten. 
Unsere Magd war dermaßen mißhandelt, daß sie nicht mehr 
gehen konnte. Den Knecht legten sie gebunden auf die Erde, 
10 steckten ihm ein Sperrholz in den Mund und schütteten ihm einen 
Kübel voll garstigen Mistlachenwassers in den Leib. Das nannten 
sie einen schwedischen Trunk, wodurch sie ihn zwangen, eine 
Partei anderwärts zu führen, allda sie Menschen und Vieh hinweg¬ 
nahmen und in unsern Hof brachten. 
15 Darauf fing man an, die Steine von den Pistolen ab- und an 
deren Statt der Bauern Daumen aufzuschrauben und die armen 
Schelme so zu foltern, als wenn man hätte Hexen brennen wollen, 
wie sie denn auch einen von den gefangenen Bauern bereits in 
den Backofen steckten und mit Feuer hinter ihm her waren, un- 
20 geachtet er noch nichts bekannt hatte. Einem andern machten 
sie ein Seil um den Kopf und rekelten es mit einem Bengel zu¬ 
sammen, daß ihm das Blut zu Mund, Nase und Ohren heraus¬ 
sprang. ln Summa, es hatte jeder seine eigene Erfindung, die 
Bauern zu peinigen, und also auch jeder Bauer seine besondere 
25 Marter. Allein mein Vater war meinem damaligen Bedünken nach 
der glückseligste, weil er mit lachendem Munde bekannte, was 
andere mit Schmerzen und jämmerlicher Wehklage sagen mußten. 
Die Soldaten setzten ihn nämlich ans Herdfeuer, banden ihn, daß 
er weder Hände noch Füße regen konnte, und rieben seine Fuß- 
30 sohlen mit angefeuchtetem Salze, das ihm unsere alte Geiß 
wieder ablecken und ihn dadurch also kitzeln mußte, daß er vor 
Lachen hätte zerbersten mögen. Das klang so spaßhaft, daß ich, 
weil ich’s nicht besser verstand, von Herzen mitlachen mußte. In 
solchem Gelächter bekannte er, was man von ihm verlangte, und 
35 öffnete den verborgenen Schatz, der von Gold, Perlen und Kleinodien 
viel reicher war, als man hinter Bauern hätte suchen mögen. 
Mitten in diesem Elend wendete ich den Bratspieß und half 
nachmittags die Pferde tränken, durch welches Mittel ich zu unserer 
Magd in den Stall kam, die jämmerlich aussah. Ich erkannte sie 
40 nicht, sie aber sprach zu mir mit schwacher Stimme: „O Bube, lauf 
weg, sonst werden dich die Reiter mitnehmen! Such, daß du davon¬ 
kommst! Du siehst ja wohl, wie übel es hier steht!“ Darauf sank 
sie wie tot zurück. Aus Richters Quellenbuch. Leipzig, Brandstetter, 1893, S. 203.
	        
Waiting...

Note to user

Dear user,

In response to current developments in the web technology used by the Goobi viewer, the software no longer supports your browser.

Please use one of the following browsers to display this page correctly.

Thank you.