7. Die Alpen.
Das majestätische Alpengebirge, welches sien von Prank-
reich und Italien aus über die Schweiz und einen groben Teil
des südlichen Deutschlands erstreckt, hat eine Länge von 120
und eine Breité von 20 bis 40 Meilen. Aus den Thalgründen
erheben sich Berge viele tausend Fub hoch. Diese sind entweder
gar nicht oder doch nur zum kleinen Teil angebaut; die meisten
jener Thäler aber sind Schauplätze der menschlichen Betrieb-
samkeit. Inmitten derselben gewahren wir nahe an einander ge—
drängte, gewerbreiche Städte und Dörfer mit zerstreut liegenden
WVohnungen von eigentümlicher Bauart. Die tiefen Thäler sind
auch oft viele Meilen weit mit Vasser angefüllt und bilden Berg-
seen, deren Ufer teils schroff und steil sich erheben, teils in
anmutige Ebenen auslaufen.
Einen auberordentlichen Genub gewährt dem Preunde der
Natur das Besteigen eines Alpenberges. Vir nehmen durch die
angebauten Thäler unsern Veg bergaufvärts; Gärten, Scker und
Wiesen, freundliche Obstpflanzungen und liebliche Weinberge
lassen wir hinter uns und schlagen uns durch die Waldungen,
welehe den Berg umgürten. Anfangs sind es kräftige Laubhbölzer;
weiter hinauf erheben sich schlanke, kernhafte Tannen, VFichten
und andere Nadelhölzer. Noch höher hört der üppige Baumwuchs
auf; nur niedriges Knieholæ und mancherlei Beerengesträuch
kommt noch kümmerlich auf dem unfruchtbaren Boden fort.
Nacktes oder mit Moos bewachsenes Gestein breitet sich vor
unsern Llicken aus; Granitmassen von staunenswerter Gröbe
liegen überall in furchtbarer Verwirrung zerstreut und lassen auf
eine frühere gewaltsame Zerstörung mächtiger Berge schlieben.
Himmelwärts türmen sich senkrechte Felswände zu allen Seiten
auf; tiele chauerliche Risse und Spalten drohen, den Wanderer
in ihren dchlund zu ziehen. VWilde Bergströme stürzen in die
tiefzerrissenen Schluchten und unterbrechen durch ihr grausiges
Getöse die lautlose Einsamkeit. Oft zerrinnt ihr Wasser im
hohen Fall zu Staub; dann gewähren sie, besonders wenn die
8sonne die Wasserstäubehen regenbogenartig färbt, ein unbe—
szchreiblich schönes Schauspiel. Hin und vwieder treten noch
.aldstreifen hervor, freilich nur von verkrüppelten RKiefern ge-
bildet, und Heidelbeeren bedecken den steinigen Boden. Hier
suchen im Sommer Marder und Wiesel die Eier der Berg- und
Schneehühner. Hoch in den Lüften kreist der Lämmergeier,
der nur auf den unzugängliechsten Felsen horstet und Gemsen