Full text: Lesebuch für die Oberklassen der Elementarschulen in Elsaß-Lothringen

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die Herde zur Zeit eines Unwetters sichere Zuflucht findet. Die 
Hirten sind meistens arm; selten besorgen sie eigene Herden, 
noch seltener auf eigener Alp. Gewöhnlich werden sie von den 
Besitzern der Alpenplätze hinaufgeschickt, oder sie pachten eine 
Alp und oft die Kühe dazu. 
In der Schweiz versehen meistenteils nur Männer das Ge- 
schäft Cos Melkens und der Käsebereitung; Butter wird wenig 
gemcet. Lehon im Mai ziehen die Sennen mit den Ziegen und 
Ssche eutf die Alp; vier Wochen später kommen die Kühe 
nac. ie Auffahrt auf die Alp ist ein allgemeines Pest. Die 
Hird sind dabei voll ausgelassener Freude; auch das Vieh 
scheint gern das Thal zu verlassen und klettert munter die An- 
höhen hinan. Voran zieht der Senn, mit bunten Bändern reich- 
lich geschmückt; ihm folgt die gröbte, kräftigste Kuh, welche 
in cen Kämpfen des Viehes am häufigsten siegte, mit einer 
mãàcasig groben Glocke am Halse; dann kommt der Handbub, 
des dennen Gehülfe, mit der ganzen Herde, deren Reihe der 
grobo 8Stier schließt. Das nötige Gerät wird tags darauf zur 
Sennhütte gebracht. Jede Kuh empfängt vom Hürten ihren 
Namen und hört auf seine Stimme sowie auf die einfachen, 
lieblichen Töne, die er auf seiner Schalmei hervorzubringen ver- 
steht. Es ist eine Lust, das Vieh in seiner Preiheit auf der 
Alp fröhlich und übermütig umhberspringen und mit einander 
kämpfen zu sehen; man merkt es ihm an, vwie gut das kräftige 
Apenkraut in hoher, reiner Bergluft inm bekommt. Wenn es 
die Witterung erlaubt, bleiben die Herden Tag und Nacht im 
Preien und werden auch da gemolken; sobald aber böses Wetter 
heranzieht, treibt sie der Senn den Ställen zu. Die Ziegen, 
welehe sich dann vorher jedesmal um die Hütte sammeln, dienen 
ihm dabei als Wetterpropheten. Beim Einbruch der Kälte, ge- 
meiniglich im September, werden die Sennhütten wieder ver- 
lassen und die Herden in die Thäler hinabgetrieben. 
Wachdem wir dies alles teils mit unsern eigenen Augen 
gesehen, teils vom Senn uns haben erzählen lassen, setzen wir 
unsern Weg noch vor Anbruch des Tages bergaufwärts fort. Vom 
Thale aus haben wir mehrere Führer mitgenommen und uns mit 
einer Axt, einer Leiter, festen Stöcken mit Stacheln und schart 
beschlagenen Schuhen versehen. Bald sollen wir von allen diesen 
Dingen Gebrauch machen; denn die herrlich grüne, mit tausend- 
farbigen Blumen geschmückte Alp liegt hinter uns. und vor uns 
breitet unübersehbar sich eine Schneeebene mit wellenförmigen, 
ungleichen Erhöhungen aus. Aus dem ewigen Schnee aber ragen
	        
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