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Rüberzahl!“ Der Berggeist erschien in Gestalt eines rußigen
Köhlers und fragte nach seinem Begehr. Der Mann schilderte
sein drückendes Elend so rührend, daß ihm jener seine Bitte nicht
versagen konnte. Der arme Mann folgte dem Berggeist in eine
Felsenhöhle und empfing 100 Thaler gegen das schriftliche Ver—
sprechen, in drei Jahren die Summe wieder zurückzuerstatten.
Als der Mann mit fröhlichem Angesichte bei den Seinen
eintrat und die hundert Thaler zeigte, die ihm nach der Meinung
der Frau die reichen BRerwandten gegeben hatten, da war große
Freude! Auf Rübezahls Geld lag aber ein solcher Segen, daß
aus dem armen Manne gar bald ein wohlhabender Bauer wurde.
Nach drei Jahren konnte er die Schuld nebst Zinsen leicht ab—
tragen. Seine Frau und Kinder mußten die besten Kleider an—
ziehen, er selbst steckte sich in seinen Staatsrock, und nun fuhren alle
an den Ort, wo ihm Rübezahl erschienen war. Hier erzählte er den
Seinen, wem er eigentlich das Geld schuldig sei. Diese erschraken
freiliss gar sehr, aber der Mann beruhigte sie, so gut er konnte.
Aus Serzenskraft schrie er: „Rübezahl! Rübezahl!“ Alles Rufen
war umsonst, wohl aber kam ein Blatt Papier herzugeweht. Als
der ann es besah, fand er, daß es der Schuldbrief war, den
er an den Berggeist ausgestellt hatte, von oben herein zerrissen,
und unten stand geschrieben: Zu Dank bezahlt.
Da weinten die Eltern und Kinder viele Thränen der Freude
und des Dankes. Weil aber die Frau großes Verlangen trug,
ihre Verwandten jetzt einmal zu besuchen, um durch ihren Wohl—
stand die harten und geizigen Vettern zu beschämen, so fuhren
sie munter den Berg hinab und hielten am Abend bei dem näm—
lichen Bauernhofe an, aus welchem der Mann vor drei Jahren
hinausgeworfen worden war. Da trat ihnen ein unbekannter
Mann entgegen; dieser erzählte ihnen, daß die reichen Vettern ver—
dorben waren und ausgewirtschaftet hatten. Am andern Morgen
kehrte der Mann mit den Seinen in die Heimat zurück; sein
Reichtum mehrte sich, und er blieb ein rechtlicher Mann sein
lebelang. J. G. Büsching.
161.
Aus dem schlestschen Gebirge.
1. „Nun werden grün die Brombeerhecken;
hier schon ein Veilchen — welch ein Fest!
Die Amsel sucht sich dürre Stecken,
und auch der Buchfink baut sein Nest.
Der Schnee ist überall gewichen,
die Koppe nur sieht weiß ins Thal;
ich habe mich von Haus geschlichen,
hier ist der Ort — ich wag's einmal: Rübezahl!