Full text: Lesebuch für die Oberklassen katholischer Volksschulen in Elsaß-Lothringen

Vorkenntnisse hierzu fehlten. Da schenkte ihm ein Mann einige Lehr⸗ 
bücher zum Selbstunterrichte. Kaum hatte jedoch sein neuer Lehr⸗ 
meister die Bücher gesehen, als derselbe ihm streng untersagte, etwas 
anderes zu treiben, als was er geheißen würde. Wie half sich Fraun⸗ 
hofer in dieser Not? 
An den Sonn⸗- und Feiertagen schlüpfte er heimlich, die Bücher 
unter den Kleidern versteckt, aus dem Hause, um sonstwo lesen und 
lernen zu können. So ging es lange Zeit; die Lust zum Lernen wuchs 
mächtig; der Neigung, sich im Glasschleifen zu vervollkommnen, konnte 
er nicht länger widerstehen. 
Glücklicherweise kam er endlich in bessere Verhältnisse und zu 
Leuten, welche ihn in seinem Tun nicht störten. 
Und wie weit brachte es Josef Fraunhofer im Glasschleifen? 
Nun, hast du schon einmal etwas von Fernrohren gehört und 
von Fraunhoferschen? 
Ja, Fraunhofer ist es gewesen, der das Fernrohr wesentlich ver— 
besserte, durch welches man in den gestirnten Himmel hineinschaut, so 
daß man jetzt dort so gut Bescheid weiß wie daheim im Garten. 
17. Der Glockenguß zu Breslau. 
Als die Glocke von St. Maria Magdalena zu Breslau gegossen 
werden sollte, und alles dazu fertig war, ging der Gießer zuvor zum 
Essen, verbot aber dem Lehrjungen bei Leib und Leben, den Hahn 
am Schmelzkessel anzurühren. Der Lehrjunge war jedoch vorwitzig und 
neugierg, wie das glühende Metall wohl aussehen möge, und indem 
er so den Kranen bewegte und anregte, fuhr er ihm wider Willen 
ganz heraus, und das Metall rann und rann in die zubereitete Form. 
Höchst bestürzt, weiß sich der arme Junge gar nicht zu helfen; endlich 
wagt er's doch und geht weinend in die Stube und bekennt seinem 
Meister, den er um Gottes willen um Verzeihung bittet. Der Meister 
aber wird vom Zorn ergriffen, zieht das Schwert und ersticht den 
Jungen auf der Stelle. Dann eilt er hinaus, will sehen, was noch 
vom Werke zu retten sei, und räumt nach der Verkühlung ab. Als 
er abgeräumt hatte, siehe, da war die ganze Glocke trefflich ausge— 
gossen und ohne Fehl; voll Freuden kehrte der Meister in die Stube 
zurück und sah nun erst, was für Übels er getan hatte. Der Lehr— 
junge war verblichen; der Meister wurde eingezogen und von den 
Richtern zum Schwert verurteilt. Inmittels war auch die Glocke 
aufgezogen worden; da bat der Glockengießer flehentlich, ob sie nicht 
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