I. Erzählungen.
2. Wie schön leuchtet der Morgenstern.
„Wie schön leuchtet der Morgenstern!“
Hab' doch kein andres Lied so gern!
Mit Tränen füllt sich jedesmal
mein Auge, spiel' ich den Choral.
's war damals, als der alte Fritz
noch stritt um Schlesiens Besitz;
hier in den Schluchten lag sein Heer,
der Feind dort auf den Höh'n umher.
Da sah's im Dorf gar übel aus,
die Scheuern leer, kein Brot im Haus
Im Stalle weder Pserd noch Kuh,
und vor dem Feind die Furcht dazu.
So hatt' ich eben eine Nacht
mit Seufzen und Gebet durchwacht
und stieg beim ersten Morgengrau'n
den Turm hinauf, um auszuschau'n,
wie's draußen stünd'; 's war still umher,
und ich sah keine Feinde mehr.
Da zog ich still mein Käpplein ab,
dem lieben Gott die Ehre gab.
Horch! plötzlich trabt's ins Dorf herein.
Der Himmel woll' uns gnädig sein!
Ein alter Schnauzbart jagt im Trab
nach meinem Haus, dort steigt er ab.
Kaum bin ich unten, schreit er: „Lauf',
schließ mir geschwind die Kirche auf!“
Ich bat: „Bedenkt, 's ist Gottes Gut,
was man vertraut hat meiner Hut,
und Kirchenraub bestraft sich schwer.“
Doch er schrie wild: „Was schwafelt Er?
Flink aufgeschlossen, sonst soll ihn“ —
schon wollt' er seinen Säbel zieh'n,
da dacht' ich bang an Weib und Kind
und öffnete die Kirch' geschwind
und trat dann zagend mit ihm ein;
mein Weib schlich weinend hinterdrein
Er ging vorüber am Altar,
hinauf dann, wo die Orgel war;