234
Wenn die Kinder hinauswandern an die grüne Hecke, um Veilchen
zu suchen oder purpurne Erdbeeren, — so brennt die böse Nessel die
ifrigen an Hände und Gesicht; rote Bläschen entstehen auf der Haut/
und der hefůge Schmerz will ot tagelang nicht vergehen. Was sags
du nun aber vollends dazu, daß in einem von uns weit entfernten
Lande, in Ostindien, Brennesseln wachsen, welche so heftig bremen
daß der gan;? Arm wochenlang gewaltig aufschwillt und entsetzlich
schmerzt, — ja, daß mitunter das verletzte Glied abgeschnitten werden
muß, wenn nicht der Tod erfolgen soll! Welches sind denn aber die
furchtbaren Waffen dieses Bösewichts? Die großen Zähne an den herz⸗
förmigen und zugespitzten Blättern sind es nicht, so bedrohlich sie auch
aussehen. Feine Haare bedecken die ganze Oberhaut der Nessel. Jedes
Haaret innen kFohl und oben scharf gespitzt. Gleich Dolchen starren
lausen solcher Waffen nach allen Seiten, furchtbar, aber wegen ihrer
Kleinheit unbemerkbar! — Doch diese Spitzen sind das Schlimmste nicht
deun wenn uns der Rosenzweig, die Brombeerranke, der Weißdorn
oder Schwarzdorn ritzen, so sticht es zwar, doch ist der Schmerz auch
bald vorbei. — Jedes Haar der Nessel ist angefüllt mit einem scharf⸗
sauren Giftsaft, der dringt dann mit der Spitze des Haares in die
Wunde, die feine Spitze bricht, da sie sehr spröde ist, leicht ab, und
jener Saft erzeugt nun den heftigen Schmerz. Welch gräßlich Gift is
senes, das die Brennhaare der erwähnten fremden Nesseln erfüllt, da
die kleine Menge in den kaum sichtbaren Härchen schon hinreicht, einen
Menschen unter großer Qual zu töten!
Wir fragen: „Warum hat Gott dies lästige Unkraut denn ge⸗
schaffen ?“
Zunächst stellt sich die Nessel mit ihrem empfindlichen Breunen dau
als ein strenger, scharfer Lehrer, der das träge Kind bestraft, went
es durchaus nicht lernen mag. Wenn irgendwo ein Kindlein wär', das
kein einziges Rllänzchen merken wollte, höchstens solche, die es essen
könnte, und ale übrigen auch nicht eines Nlickes würdigte, zur Straft
weil sie ungenießbar sind, — so würde doch die strenge Lehrerin „Nessel⸗
sehr bald dies Kindlein nötigen, auch die mancherlei andern Dinge
die auser den Beeren noch am Zaune stehen, etwas näher anzusehen
und vald e,dies versäumte, gibt sie ihm einen scharfen Streich 1
seine and, die sich nach den Näschereien ausstreckt Bald kennt un
das belehrte Kind wenigstens noch eine Pflanze zu den andern: d
— Sie nötigt es zur Vorsicht und zum muntern, halfe
Unb und ist ein Feind von dem gedankenlosen, blinden leinlause
in die Welt. — Wenn nun ja jemand sich gebrannt hat, so gab Gol
dem Menschen auch Verstand, um Mittel aufzufinden, den Nesfelschmen
zu vertreiben. Das Kind weiß schon, daß der Schmerz sich milden
Penn es feuchte Erde auf die gebraumnte Stelle legt. Noch schuel
und günzlich vergeht aber derselbe, sobald man einige Tropfen Salmian
geist darauf streicht, eine Flüssigkeit, welche die Mutter im Glasschran