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Verwundeter zurück manche in erschrecklichem Zustande. Ihr Blut
rötet den Weg Andre werden auf zusammengelegten Gewehren
weggetragen Freund und Feind liegt än den Höͤhen von Sadowa
ohne Unterschied Seite an Seite. Waffen, Tornister, Patronen—
taschen hesäen den Boden. Mit betäubendem Knall platzen überall
die einschlagenden Granaten, deren Sprengstücke umherfliegen, die
Näherstehenden mit Erde überschüttend Die Schlacht wird allgemein
und rast in voller Wut auf der ganzen Linie. Bas Gewehrfeuer
rollt ohne Unterbrechung. Die Kanonen und Haubihen spielen
von allen Seiten. Der Wald von Maslowed scheint wie lebendig
von all den Höllengeschossen. Doch mit Mut und Vertrauen bewegt
sich auch die Elbarmee Herwarths von Bittenfeld vorwärts, alles
in glänzendem Angriff vor sich niederwerfend, ihr Hurra übertönt
das Gebrüll der Schlacht.
Andauernd wächst die riesige Übermacht Benedeks; die Armee
des Prinzen Friedrich Karl kann nicht lange mehr allein die Wucht
des Kampfes tragen. Wie einst Wöllington geseufzt: „Ich wollte,
die Nacht wäre da oder Blücher!“ so fragt jeder Preuße beklommen:
„Wann kommt der Kronprinz, warum zögert er?“
Sorgenvoll hält der königliche Greis äuf seiner braunen Stute
vor seinem Gefolge. Granaten sausen weg über sein ehrwürdiges,
geweihtes Haupt, er achtet es nicht. Schwere Gedanken bestürmen
ihn. Er denkt an seine harte Jugend, die Demütigung Preußens,
an seinen ersten Schritt zur Befreiung Schleswig-Holsleins, alles,
alles zieht an seinem Geiste vorüber. Er hat so viel erlebt.
und nun, heut, nach so glänzendem, unerhört schnellem Stürmen
von Sieg zu Sieg — soll dies das Ende sein? Geht die große
Schlacht verloren, so sind alle Früchte des bisherigen Feldzuges
umsonst gepflückt.
Einsam hebt sich Moltkes hagere Gestalt mit dem durch—
geistigten Denkergesicht von dem erregten Gefolge ab. Ab und zu
führt er das Glas zum Auge, kein Muskel zuckt in seinen marmor⸗
starren Zügen.
Und wer mag der Hüne sein mit dem behelmten Haupt, wo
unter buschigen Brauen ein Wodanauge flammt, gar schreckbar
anzuschauen? Ja, sein eigenstes Werk ist dieser Krieg, aäber er
darf sichs sagen mit ehrlichem Herzen, daß nicht kleinlicher Ehrgeiz
sondern erhabene Zwecke ihn geleitet haben zu des Vaterlandes
Wohlfahrt und Ruhm.
Und die Not wächst, die höchste, äußerste Not. — Da! Was
ist das? Mitten im Zentrum Benedeks, als Stützpunkt seiner Reserven,
liegt das Dorf Chlum, von Waffen starrend, mit Kanonen über—
laden. Dort, mitten im feindlichen Heer, in einer Talfalte wird's
plötzlich lebendig. Was ist das? Dies Häuflein, das dort jählings
in vollem Lauf anstürmt? Sind das Preußen?
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