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Reisegesellschaft. Nachdenklich hebt er den einen Fuß in die Höhe und biegt
den Kopf ein wenig hintenüber; denn auf ihm ruht ja offenbar die Sorge
für das Wohl und Wehe der Seinigen. Fast möchten wir annehmen, daß
er die ganze Reise mit all ihren Mühseligkeiten an seinem Geiste vorüber—
ziehen läßt und besorgt auf den jüngern Teil seiner Begleiter schaut, deren
Kräfte solchen Anstrengungen noch kaum gewachsen sind. An dem Alten
schreitet eben sein treues, sorgsames Weib vorüber. Jetzt gerade bemerkt
sie ein geringes Regen im Grase, und während sie spähend sich beugt, um
den verborgenen Frosch, Käfer oder Sprengel (eine kleine Heuschrecke) sofort
zu erwischen, blicken die vor ihr stehenden Jungen aufmerksam nach ihr hin,
um den Fang daun schnell wegzuschnappen.
Hinter den beiden Alten links seitwärts steht ein gar betrübter Gesell.
Verzagt und mutlos läßt er die Flügel herunterhängen und beugt den
Schnabel traurig zur Erde. Was mag den Armen drücken? Was mag
es sein, das ihn so still und in sich gekehrt stehen läßt? Wir können keine
Vermutungen darüber anstellen; vielleicht erfahren wir es später. Neben
dem Verzagten zeigt sich uns ein ausgelassener, lustiger Bursche, der in
toller Weise umherspringt, mit den Flügeln schlägt, und vor Freuden laut
in die blaue Luft hineinklappert. Das Gegenteil von ihm bildet jener ganz
auf dem linken Flügel; er sieht drohend und zänkisch aus, scheint bei allen
als Händelmacher unbeliebt zu sein.
Unterdessen kommen von allen Seiten immer mehr Störche und werden
von der ganzen Versammlung stets mit freundlichem Kopfnicken oder grüßend
erhobenen Flügeln bewillkommnet. Sobald nun die Sonne höher steigt
und ihre Strahlen immer glühender herabsenkt, erhebt der alte Anführer
stolz sein Haupt, schreitet langfam auf eine kleine Erhöhung, und wie auf
ein Zeichen herrscht im weiten Kreise tiefe Stille. Anfangs leise, dann
immer lauter, zuletzt weithin schallend, klappert nun der Alte, während hier
und da einige andere begleitend einfallen, und dann und wann die ganze
Schar murmelnd beistimmt.
Wir möchten fast annehmen, daß die Störche hier in tiefer Beratung
sind und der erfahrene Altvater die jüngern über die Reise unterrichtet
und ihnen Verhaltungsmaßregeln gibt. Die beschriebene Gesellschaft be—
obachtete ich (erzählt der Verfasser) am 28. August vor einigen Jahren auf
einer weiten, mit dürrem Grase bewachsenen Sandfläche Westpreußens. Seit
mehreren Wochen hatten sich die Störche hier in einzelnen Trupps von
etwa zehn bis dreißig umhergetrieben und fleißig die unzähligen, ganz kleinen
Heuschrecken von den Stoppelfeldern abgelesen. Nach und nach waren immer
mehr Störche familienweise oder in ebensolchen Abteilungen angekommen,
und dadurch, daß ich in dunklen Frauenkleidern, mit einem großen Korbe
und gebückt dort hinausging, hatte ich die Vogel so gewöhnt, daß die meisten
mir eine Annäherung bis auf etwa sechzig Schritt gestatteten, während
sonst schon in der Entfernung von zweihundert bis dreihundert davon⸗
iegen.
Es war ein herrliches Schauspiel, wenn die stattlichen Vögel am
frühen Morgen oder des Abends sich erhoben, stundenlang die Luft in
den prächtigsten Schraubenwindungen durchschwebten und sich dann nach