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Galgen geführt werde, noch einmal sein pechschwarz Roß im Zwinger
reiten lassen. Das wurde ihm gewährt und unter gehöriger Auf¬
sicht trabte Eppelein ein paarmal hin und her. Als er aber erkannt
hatte, daß sein Rößlein noch frisch bei Kräften sei, da sprengte er
es plötzlich gegen den Rand des Grabens, drückte ihm die Sporen
in die Weichen und hinüber war es mit seinem Herrn.
Nun hieß es aber eilen, denn die Nürnberger werden wohl
nicht lange untätig dagestanden sein. Aber sie holten ihn nicht mehr
ein und in der Nähe seiner Burg gaben sie die Verfolgung auf.
Das war ein Glück für den Eppelein; denn weiter hätte sein Roß
nicht mehr kommen können: es zitterte, strauchelte und sank endlich
zu Boden. Da lief der Ritter, was er konnte, in seine Burg um
seinem getreuen Rosse Labung zu bringen. Ohne sich Zeit zu nehmen
Weib und Kinder zu begrüßen widmete sich der rauhe Mann seinem
sterbenden Tier und beugte sich weinend herab auf den Hals des
treuen Gefährten.
Von da an aber sang man den Städtern zum Spott: „Die
Nürnberger hängen keinen, sie hätten ihn denn zuvor." Und das
haben sie sich wohl gemerkt; denn als sie ihn wieder ergriffen, —
und das soll nicht allzu lang gedauert haben — da machten sie ihre
Sache schnell und gründlich. Nach K. Teuffer.
66. Die drei Baumeister zu St. Lorenz.
Zu St. Lorenzen in Nürnberg heißt ein Turm „der alte".
Wie derselbe alte Turm im Bau begriffen war, hatten ihrer zwei
Meister daran zu schaffen und hatten vorerst schon einem andern
Meister die Arbeit abgejagt. Nachdem nun der beseitigt, loderte in
ihnen beiden grimmiger Haß und Zorn empor und jeder beschloß
den andern zu verderben. Damit es aber niemand ahne, taten
beide so, als wären sie sich überaus geneigt. Darüber verlief
etliche Zeit, bis sie eines Tages hinaufsteigen mußten, soweit
der Turm gebaut war. Da nun der eine ans Fenster trat und
hinaussah, packte ihn der andere und wollte ihn hinabschleudern;
der erste aber, so ein Gleiches vorgehabt hatte, hielt sich fest an
ihm und riß ihn mit sich hinaus. Also stürzten sie beide hinab und
zerschmetterten sich alle Knochen. Dabei stand der Dritte unten,
nicht eine Handbreit entfernt; denn er hatte schier hart am Turm
hinaufgeschaut. Als das der Rat erfuhr und der Baumeister, so
Münchener Lesebuch. I. 7. Auflage. 6