Full text: [Teil 2, [Schülerband]] (Teil 2, [Schülerband])

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„Er befindet sich eben jetzt,“ antwortete die Witwe, „auf dem 
Grundstucke, welches ich sonst mein nannte. — Aber was willst du mit 
dem Esel?“ — 
„Sei unbesorgt, und folge mir!“ versetzte der Kadi. 
Benbächir nahm den Esel und suchte den Kalifen auf. 
Der Kaͤlif bewillkommte ihn freundlich. 
Ich habe dich so lange nicht gesehen, Benbächir,“ sagte er zu 
ihm, „und wie kommt es, daß ich eben jetzt dich sehe?“ 
„Erhabener Beherrscher der Gläubigen,“ antwortete Benbäãchit 
„ich habe so eben ein armes Weib gesprochen, welchem — 
„Ich errate, was folgen wird,“ unterbrach ihn der Kalif in einen 
ernsthaften Tone, „und will nichts weiter hören. Die Halsstarrige mag 
ihr Betragen büßen! Steht es nicht in meiner Willkür, über Vermögen 
und Leben meiner Unterthanen zu gebieten?“ — 
Deine Macht⸗ aiberte Benbachir, „ist hier auf Erden unb— 
grenzt. Auch verlaͤngt die arme Witwe ihr ehemaliges Eigentum nich 
wieder zurück; sie beltelt bloß um ein kleines Andenken, und wenn du 
5 elaubst, so fülle ich diesen Sack nach ihrem Wunsche mit Erde.“ 
Die lann sie haben,“ erwiderte der Kalif lächelnd, „und wen 
sie zeh Sae wolte Bald, Benbachir, sollst du die Gegend nig 
mehr kennen! Hier soll ein prächtiger Palast errichtet werden, dort ein 
Waͤsserfall die Aussicht verschönern und weiterhin ein hoher Turm sich 
erheben, von welchem man die ganze Gegend übersehen kann.“ 
„So!“ erwiderte Benbächir, welcher unterdessen den Sack mit 
Erde angefüllt hatte. — „Ich werde sogleich mein Geschäft vollendet 
haben, und dann, erhabener Beherrscher der Gläubigen, erlaube mir noch 
eine Bitte, die ebenso unbedeutend ist als die erste!“ 
„Sie sei dir gestattet!“ versetzte der Kalif. 
Der Sac ist gefullt,“ fuhr Benbächir fort, „und nun, erhabene 
Beherrscher der Gläubigen, fleh' ich um deinen Beistand, ihn auf den 
Esel zu laden.“ 
„Welche befremdende Bitte!“ rief der Kalif. „Wie kannst du die 
von mir verlangen? Rufe meiner Sklaven einen, und er soll dir helfen! 
„Erlaube, Beherrscher der Gläubigen,“ erwiderte der Kadi, daß 
ich dich um diese Gnade bitte, — daß ich dich flehend bitte, sie mil 
nicht abzuschlagen!“ 
„Wahnsinniger,“ rief der Kalif, „die Last ist zu schwer für mich 12 
Au schwer sagte Benbächir, „dieser Sack voll Erde, ein so 
kleiner Teil des Grundstücks, auf welchem wir uns befinden, scheint 
dir zu schwer? O Herr, und du schauderst nicht bei dem Gedanken 
den Tag, an welchem du vor deinem und unserm Richter erscheinen wirst? 
an welddem nicht bloß dieser Sack voll Erde, sondern das ganze Grund⸗ 
flück mit allen Palästen und Türmen, welche du darauf erbauen willst 
nit allen Thränen, womit die Unglücklichen es durch deine Schuld 
benetzt haben, zur weit unerträglichern Last werden wird! — Du bist 
hienieden unbeschränkter Herrscher; ein Wink von dir verkürzt des 
Menschen Leben, und ein einziges Wort stürzt Tausende in Unglück;
	        
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