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entgangen sei. Die Strafe Sokownins und zweier der vorzüglichsten Mit⸗
verschworenen war fürchterlich. Sie wurden gevierteilt und ihre Glieder
an allen Stadtthoren aufgesteckt. Sophia ward von jetzt an schärfer
bewacht als zuvor; denn der Plan der Verschworenen war gewesen,
nach Peters Ermordung sie aus dem Kloster zu holen und auf den
Thron zu setzen.
I.
Im April 1697 trat Peter die beabsichtigte Reise nach den
europäischen Staaten an. Da er alles Aufsehen haßte und selbst un—
erkannt bleiben wolte, gab er seinem Gefolge das Ansehen einer großen
Gesandtschaft, an deren Spitze der General Lefort und einige vornehme
Russen standen. Er selbst befand sich unter dem Titel des Ober⸗
Commandeurs bei derselben. Die Reise ging über Riga nach Königs-
berg, wo der damalige prachtliebende Kurfürst Friedrich II. von
Brandenburg für eine höchst glänzende Aufnahme sorgte. Mit großer
Wißbegierde befuchte Pelet die Handwerker und Künstler, besonders die
ernsieindrechsler Von Königsberg reisie er über Pommern, Berlin,
Magdeburg. Kleve nach Amsserbam.e Das Gewühl der Kaufleute
Schiffer und Soldaten, die unzähligen Werkstätten der Künstler und
Handwerker, die Muühlen, Dämme, Maschinen und Schleusen und vor
Mem die Schiffe befchaftiglen seine Äufmerksamkeit und Wißbegierde
so sehr, daß er von früh bis in die Nacht bemüht war, alles genau
zu besehen und zu merken. Um die Zeit nicht zu verlieren, hatte er
sich bereits von seiner Gesandtschaft getrennt und begab sich nach dem
Dorfe Saardam, wo ein bedeutender Schiffsbau getrieben wurde.
Nicht den nur zu sehen, wollte er selber lernen und stellte sich in
einer kurzen roten Friesweste und leinenen Hosen einem Meister als
einen russischen Arbeiter vor, der zur Erlernung des Schiffbaues ab⸗
geschickt sei. Er wurde hierauf als Zimmermann unter dem Namen
Michaelow eingeschrieben, und nur einer seiner Begleiter nahm an der
mühsamen Arbeit teil. Um sich nicht zu verraten, lebte er mit den
übrigen Zimmerleuten auf völlig gleichem Fuße und zeichnete sich durch
nichts von ihnen aus als durch ganz ungewöhnlichen Fleiß und eine
unersättliche Lernbegierde. Mit seiner Art auf der Schulter war er
des Morgens immer einer der ersten und des Abends der letzte bei
der Nbein. Er bewohnte ein kleines Häuschen an den Schiffswerften,
das noch jetzt den Femden gezeigt wirde Auch die Weikstätten der
Schmiede uͤnd Seiler besuchte Peter und lernte die Einrichtung der
holländischen Mühlen kennen. Im Winter ließ er sich zu Amsterdam
in der Malhemalik und Naturkunde unterrichten, ja er übte sich sogar
in chirurgischen Operationen). Als eine Galiote), an der er fleißig
mitgearbeitet hale, fertig war, und die Sladt Ansterdam ihm dieses
Schiff schenkte, sandte er dasselbe mit vielen in Holland angeworbenen
Seeleuten, Offizieren und Künstlern nach Archangel.
Von Holland ging Peter nach England hinuber, wo Wilhelm III.
Chirurgische Operationen, wundärztliche Verrichtungen. ) Galiote, ein
einmastiges Fahrzeug.
Engelien& Fechner, Lesebuch O. II.
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