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überlege ja erst, wen du in deine genauere Gesellschaft aufnehmen willst.
Du könntest, wenn er ein Unverträglicher wäre, sonst bald zu deinem Schaden
ihm Platz machen müssen.
Meißner.
15. Die treue Freundschaft.
Ein Rabe, den die Vögel für einen Weisen hielten, saß auf einem
Baum des Waldes. Da kam der Vogelsteller, stellte ein Netz, streute Samen—
körner darunter und ging wieder fort. Wer der Rabe fürchtete sich vor dem
VNetze und versteckte sich in das dichte Laub. Da kam ein Schwarm wilder
Tauben und sah das schöne Gerstenfutter, und alle setzten sich und fraßen.
Aber das Netz fiel zu, und sie waren gefangen und flatterten darin herum.
Da sprach die Führerin des Schwarmes: „Uns hilft nicht, daß wir hin und
her flattern; laßt uns einmal versuchen, alle auf einmal in die Höhe zu flie⸗
gen; vielleicht vermögen wir's, das Netz mitzunehmen.“ Sie flogen nun alle
zugleich in die Höhe und nahmen das Netz mit sich.
Aber der Rabe hatte alles mit angesehen, wie Einigkeit sie stark machte,
und flog in der Ferne nach. Die Tauben hatten sich in ein Fruchtfeld nie—
dergelassen, in der Nähe eines Baumes, und beratschlagten, wie sie aus dem
Netze herauskommen könnten.
Da sprach eine aus dem Schwarm: „Ich habe schon längst Freundschaft
geschlossen mit einer Maus, die hier in der Nähe wohnt; soll ich sie rufen,
daß sie das Netz zernage?“ Und sie rief die Mansnn Die kam aus ihrer
Höhle heraus und zernagte bald die Schnüre, und die Tauben flogen fröhlich
davon und dankten der Maus für ihre Befreiung.
Der Rabe hatte auch dieses mit angefehen und dachte bei sich, ein treuer
Freund sei doch ein großes Gut. Er setzte sich deshalb in die Nähe des
Mauselochs und rief die Maus, weil er Freundschaft mit ihr schließen wollte.
Als aber die Maus herauskam und den Raben erkannte, floh sie schnell
wieder in ihr Löchlein. Aber der Rabe rief sie wieder und sagte: „Was
fliehst du mich? Willst du nicht meine Freundin werden“
Und die Maus antwortete ihm: „Nein, das geht nimmermehr an; denn
in kurzer Zeit würde deine angeborne Lust nach meinem Fleische dich unsre
Freundschaft vergessen lassen, und du würdest mich, wie jede andere Maus,
auch auffressen.“
Das redete ihr aber der Rabe aus, und sie lebten beisammen ohne Miß⸗
trauen und waren zufrieden. Nun sehnte sich der Rabe nach seinem ersten
Aufenthalte; denn er fürchtete sich hier vor den vorübergehenden Jägern.
Darum sagte er eines Abends zu der Maus, wenn sie nichts dawider habe,
so wollten sie wegziehen von diesem Orte, weil er da nicht verborgen genug
sei. Er wolle sie an einen viel heimlicheren Ort bringen, wo er auch eine
treue Freundin habe, die Schildkröte, bei der sie künftig wohnen wollten.
Und die Maus war mit dem Vorschlage zufrieden; denn auch ihr war es
unheimlich da, weil eine Katze in das Feld kam und ihr heimlich nachstellte.
Und der Rabe faßte sie mit dem Schnabel an ihr Schwänzlein, trug sie durch
die Lüfte und setzte sie unter einem Baum nieder. Hier rief er die Shid.
kröte, seine Freundin.
Aber die Schildkröte kam hervor aus ihrem Teiche und freuete sich, daß
ihr Nachbar wieder da sei und daß er noch eine Freumdin die Malng nmnm