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treibt in Baum und Strauch und nach der Stille des Winters singen wieder
die Vögel des Himmels in den Lüsten; die Freundlichkeit Gottes breitet sich
über die Erde, und bald steht die Natur da in ihrer reichsten Herrlichkeit.
Das Kirchenjahr hat auch seinen Frühling. Er hebet an mit dem Advent
und gehet hin bis in die Epiphanienzeit. Im Advent wird der Herr der Ge—
meinde verkündigt als der, welcher kommen will. Es klingen die Propheten⸗
mmen durch die Kirche hin wie Frühlingsgesänge: Bald wird kommen
zu seinem Tempel der Herr, den ihr suchet, und der Engel des
Bundes, des ihr begehret. Die Kirche singt:
Wie soll ich dich empfangen,
Und wie begegn' ich dir?
Endlich bricht der hohe Frühlingstag an. Es predigt der Engel: Siehe,
ich verkündige euch große Freude, die allem Volke widerfahren
pird; denn euch ist heute der Heiland geboren. Und die himmlischen
Chöre antworten: Ehre sei Gott in der Höhe und Friede auf Erden
ind den Menschen ein Wohlgefallen.
NNach der Ankunst des Herrn auf Erden zeigen sich auch bald Wirkungen
In seliger Hoffnung stehen bei dem Kinde Joseph und Maria, Simeon und
banna; es ziehen herauf die Weisen aus dem Morgenlande. — In der Epi—
hanienzeit wird der Gemeinde verkündigt, wie Christus selbst sagt, wessen Sohn
er sei, und wie er selbst zeuget für sich mit Wort und Wunderthat. Das soll
uns zu dem Glauben bringen: Gott ist geoffenbaret im Fleisch, ge—
dechtfertigt im Geist, erschienen den Engeln, gepredigt den Hei—
den, geglaubet von der Welt.
2. Nun folgt der Sommer. Siehe ihn an in der Natur! Die Sonne
teht hoch; ihre Glut sengt und brennt. Manches Pflänzlein verdorret und
sirbt; andere lassen matt das Haupt sinken; auf den meisten liegt der Staub.
das Kirchenjahr feiert eine ähnliche Zeit in dem Leben des Herrn. Für ihn
deht die Sommer- und Glutzeit an mit der Leidenszeit. Erst nahet das Wetter
der Verfolgung leise heran. Zunächst denken sie daran, ihn zu töten; dann
halten sie Rat, wie sie ihn dten. Endlich kommen die schweren Tage, von
denen Jesaias weissaget: Fürwahr, er trug unsere Krankheit und lud
uf sich unsere Schmerzen. Wir aber hielten ihn für den, der
deplaget und von Gott geschlagen und gemartert wäre.
Der Sommer ist nicht bloß eine heiße Zeit, er ist auch eine schwere
Urbeitszeit; unter Mühe wird die Frucht des Feldes gepflegt. — In dem
Leben des Herrn giebt es eine Zeit, die auch in diesem Sinne mit dem Sommer
im Naturjahr verglichen werden kann. Von dieser Zeit spricht Christus: Mir
hast du Arbeit gemacht in deinen Sünden, und hast mir Mühe
semacht in deinen Missethaten. — Im Andenken an diese Zeit singt
die Kirche: „O Haupt voll Blut und Wunden ꝛc.“ und „O Lamm Gottes
im Staube ꝛc.“ — Aber auf die Karfreitagslieder folgen die fröhlichen Oster—
lieder. Jede treue Arbeit findet ihren Lohn. Der Lohn des Gekreuzigten und
Uunferstandenen sind die, welche mit ihm in einem neuen Leben wandeln.
3. Es nahet der Herbst. Er ist die Frucht- und Erntezeit. Da steht der
Segen Gottes auf den Feldern; es reift das, was ausgesäet ist; die Früchte
berden eingesammelt. Mit dieser Jahreszeit ist die Zeit des Kirchenjahres zu
bergleichen, welche den ersten Teil der Trinitatiszeit umfaßt. Die Kirche läßt
ins an die Früchte erinnern, welche wir dem Herrn darbringen sollen. Dieser
hat alles gethan, um das Fruchtfeld unseres Herzens zuzubereiten; zuletzt,