Full text: Oldenburger Volksschullesebuch für Oberklassen

2 
5 
„95 
rgelspiel wurde gelehrt, nachdem Karl die erste Orgel aus Konstantinopel 
halten hatte. Aber die plumpen Franken zeigten sich ebenso ungeschickt zum 
Singen als zum Spielen. Die Italiener verglichen ihren Kirchengesang mit 
Geheul wilder Tiere und dem Gerumpel eines Lastwagens über einen 
nüppeldamm. Auch Aleuin klagt oft in seinen Briefen, daß er bei den 
ngen Franken so gar wenig ausrichten könne und mit einer fast tierischen 
ölpelhaftigkeit zu kämpfen habe. 
Zur Hebung des Verkehrs gedachte Karl die Donau und den Main durch 
einen Kanal zu verbinden, was aber erst in unsern Tagen gelungen ist. 
Es ist sehr anziehend, einen großen Mann auch in seinen geringen Be— 
schäftigungen zu betrachten. Wenn er auf seine Höfe kam, ließ er sich die 
one vorlegen, in welche alles bis auf die Anzahl der Eier eingetragen 
ein mußte; er überzählte Einnahme und Ausgabe, rechnete seinen Verwaltern 
nach und machte Bauanschläge, als wäre er nichts als ein Landmann. 
6. Den Gipfel menschlicher Größe erstieg Karl im dreiunddreißigsten 
dahre seiner Regierung durch seine Krönung zum römischen Kaiser. Der Papst 
Rom, Leo III., hatte ihn zum Schutzherrn angenommen. Im Jahre 800 
x Karl in Rom, wo er die gestörte Ordnung wieder herstellte und den Papst 
seiner Würde befestigte. Am Weihnachtsfeste dieses Jahres, als in der 
eterstirche auch Karl dem Hochaltare gegenüber betend kniete, ging plötzlich 
o auf ihn zu, setzte ihm die Krone der römischen Kaiser auf das Haupt, und 
die Kixche wiederhallte von dem freudigen Zuruf des Volks: „Leben und Sieg 
em von Gott gekrönten, frommen, großen, friedebringenden Kaiser von Rom!“ 
—So lebte der abendländisch⸗römische Kaisertitel, der seit dem letzten römischen 
aiser Romulus Augustulus im Jahr 476 erloschen war, wieder auf, und es 
ist derselbe bis zur Auflösung des deutschen Reichs im Jahr 1806 also über 
Jahrtausend, den deutschen Kaisern verblieben. — Karl war nun der oberste 
err der ganzen abendländischen Christenheit. 
Narls Ruͤhm war schon bei seinen Lebzeiten nicht bloß durch ganz Europa, 
idern auch in die andern damals bekannten Weltteile gedrungen. Von allen 
eiten erhielt er Zeichen der Achtung. 
nn 7. Im Januar des Jahres 814 wurde Karl von einem hestigen Fieber 
rgriffen. Seiner Gewohnheit nach wollte er sich durch Fasten helfen; aber es 
war umsonst. Am 28. Januar des genannten Jahres befahl er den rastlosen 
Geist in Gottes Hände und schloß als ein zweiundsiebzigjähriger Greis die 
Augen, deren Winken beinahe ein halbes Jahrhundert hindurch ein Weltteil 
lehorcht hatte. Er starb zu Aachen, wo er auch das Licht der Welt erblickt 
haben soll und woselbst sein Lieblingsaufenthalt war. — Der Leichnam wurde 
desalbt und in der Kirche, die er selbst erbaut, beigesetzt. Im vollen kaiser— 
ichen Schmuck, mit einem Evangelienbuch auf den Knieen, einem Stück des 
eiligen Kreuzes auf seinem Haupte und der goldenen Pilgertasche um die 
ifte, seßte man ihn in aufrechter Stellung auf einen goldenen Stuhl. Die 
ruft wurde mit Weihrauch, köstlichen Spezereien und vielen Schätzen gefüllt 
ud darauf verschlossen und versiegelt. Später ließ Friedrich Barbarossa die 
eine Karls in ein prächtiges Grabmal legen. 
1. Karls Sohn, Ludwig der Fromme, hatte während seiner Regierung viele 
ämpfe mit seinen Söhnen zu bestehen. Nach seinem Tode (840) setzten diese den Krieg 
e sich fort, bis es 843 zum Vertrage zu Verdun (pr. Werdöng) kam. Ludwig 
r Deuͤtsche genannt (8340 876), erhielt Ostfranken Deutschland bis zum Rhein) 
arl der Kable Westfranken (Frankreich) und Lothar Italien. die Schweiz und einen
	        
Waiting...

Note to user

Dear user,

In response to current developments in the web technology used by the Goobi viewer, the software no longer supports your browser.

Please use one of the following browsers to display this page correctly.

Thank you.