Full text: Oldenburger Volksschullesebuch für Oberklassen

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Bachstelze doch am Wasser. Sie läuft am Ufer hin so schnell, daß das Auge 
ihren Schritten kaum folgen kann, und dabei untersucht sie mit scharfen Blicken 
jeden Halm, jeden Winkel, der ihre kriechende oder ruhende Beute verbirgt. 
Nun tritt sie auf einen blankgespülten Stein, sie badet, sie trinkt. Auf einmal 
wirft sie sich mit Schwung und Sprung in die Höhe, die schwärmende Mücke 
zu fassen. In Summa: unter dem kleinen Federvolke ist außer der Schwalbe 
kein Vogel anmutiger und gewandter als die Bachstelze 
23. Die Nachtigall. 
Gewiß, die Nachtigall ist die Königin unter den Singvögeln. Wenn sie 
den Schnabel öffnet und in voller Frühlingslust morgens und abends ihre 
schmetternden Lieder ertönen läßt, dann müssen alle andern Sänger zurück⸗ 
stehen, und jeder hört ihr mit Vergnügen zu. Nur schade, daß sie nicht auch 
ein Gefieder trägt, welches ihrer kunstfertigen Kehle entspricht; denn ihr Kleid 
ist nur ärmlich, oberhalb rötlich, unterhalb hellgrau, und jeder Sperling 
könnte in dieser Hinsicht fast mit ihr welteifern. Ebenso bescheiden sind ihre 
Anforderungen an ihre Nahrung. Nichts Gebratenes und Gesottenes kommt 
auf ihren Tisch, der ihr überall auf der Erde und im Gebüsche gedeckt ist. 
Am liebsten sind ihr Insekten und Würmer; außerdem läßt sie sich auch Johan⸗ 
nis⸗ und Holunderbeeren gut schmecken. 
Ihr Nest baut die Nachtigall gern in Hecken und niedrigem Gesträuch 
füttert es mit Pferdehaaren aus und legt 4—6 gelblichgrüne Eier hinein. 
Kann sie nun in Stachelbeer⸗, Johannisbeer⸗ oder Weißdornbüschen wohnen, 
und findet sie in ihrer Nähe schönes, klares Wasser, so find dami wesentliche 
Bedingungen ihres Wohlseins erfüllt. Vor den Menschen fürchtet sich die 
VNachtigall nicht, überhaupt zeigt sie in ihrem Benehmen etwas Keckes und 
Dreistes. Haben die Menschen sie aber aus ihrem Neste vertrieben, oder wird 
sie ihrer Jungen beraubt, so zieht sie ganz aus der Gegend fort, und es hält 
dann schwer, daß sich dort wieder Nachtigallen ansiedeln. 
24. Komm, Trost der Nacht, v Nachtigall! 
Komm, Trost der Nacht, o Nachtigall, 
Laß deine Stimm' mit Freudenschall 
Aufs lieblichste erklingen! 
Komm, komm und h den Schöpfer dein, 
Weil andre Vöglein schlafen ein 
Und nicht mehr mögen singen. 
Laß dein Stimmlein 
Laut erschallen; denn vor allen 
Kannst du loben 
Gott im Himmel, hoch dort oben. 
2. Obschon ist hin der Sonnenschein 
Und wir im Finstern müssen sein, 
So können wir doch singen 
Von Gottes Güt' und seiner Macht, 
Weil uns kann hindern keine Nacht, 
Sein Loben zu vollbringen. 
Drum dein Stimmlein 
Laß erschallen; denn vor allen 
Kannst du loben 
Gott im Himmel, hoch dort oben 
3 Echo, der wilde Wiederhall, 
Will sein bei diesem Freudenschall 
Und lässet sich auch hören, 
Verweist uns alle Müdigkeit, 
Der wir ergeben alle Zeit, 
Lehrt uns den Schlaf bethören. 
Drum dein Stimmlein 
Laß erschallen; denn vor allen 
Kannst du loben 
Gott im Himmel, hoch dort oben. 
4. Die Sterne, so am Himmel stehn, 
zu Gottes Lob sich lassen sehn 
nd thun ihm Ehr' beweisen. 
Auch die Eul', die nicht singen kann, 
Zeigt doch mit ihrem Heulen an, 
sie Gott auch thu' preisen. 
rum dein Stimmlein 
Laß erschallen; denn vor allen 
Kannst du loben 
Gott im Himmel, hoch dort oben
	        
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