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»So wirft Du glücklich sein, wie ich,
»So bleibt stets diese Welt Dir schön.-
Der Knabe schmiegte zitternd sich
An seines Vaters Arm und sprach:
»Mein Vater, nein. Du stirbst noch nicht!
»Du lebst noch lange mir zum Glück!-
Und viele Thränen flössen ihm
Vom Aug'. — Indessen hatten sie
Die Reusen ausgelegt. Die Nacht
Bedeckte schon mit Dunkelheit
Das weite Meer; sie ruderten
Gemach der Hcimath wieder zu.
Irin starb bald. Sein frommer Sohn
Beweint' ihn lang, und niemals kam
-Ihm dieser Abend aus dem Sinn.
Ein heil'ger Schauer überfiel
Ihn, wenn ihm seines Vaters Bild
Vor's Antlitz trat. Er lebte stets
Nach dessen Lehren. Segen kam
Auf ihn. Sein langes Leben schien
Auch ihm ein Frühlingstag zu sein. v. Kleist.
83. Myrtill.
Bei stillem Abend hatte Myrtill noch den mondbeglänzten
Sumpf besucht; die stille Gegend im Mondschein und das Lied
der Nachtigall hatten ihn in stillem Entzücken aufgehalten. Aber
jetzt kam er zurück in die grüne Laube von Rebön vor seiner
einsamen Hütte und fand seinen alten Vater, sanft schlummernd,
im Mondschein hingesunken, sein graues Haupt auf den einen
Arm hingelehnt. Da stellte er sich, die Arme in einander ge¬
schlungen, vor ihn hin. Lange stand er da, sein Blick ruhete unver¬
wandt auf dem Greise, nur blickte er zuweilen durch das glänzende
Rebenlaub zum Himmel auf, und Freudenthränen flössen dem
Sohne vom Auge.
„D du," sprach er jetzt, „du, den ich nächst den Göttern
am meisten ehre, Vater, wie sanft schlummerst du da! Wie
lächelnd ist der Schlaf des Frommen! Gewiß ging dein zit¬
ternder Fuß aus der Hütte hervor, im stillen Gebete den Abend
zu feiern, und betend schliefest du ein. Du hast auch für mich
gebetet, Vater. Ach, wie glücklich bin ich! Die Götter hören
dein Gebet; oder warum „ruhet unsere Hütte so sicher unter den
von Früchten gebogenen Ästen? Warum ist der Segen auf
unserer Heerde und auf den Früchten unseres Feldes? Oft,
wenn du bei meiner schwachen Sorge für die Ruhe deines mat-