Prosa. — Pragmatische Geschichtsauffätze.
Tausende unsrer Vorfahren, die ihr Gut und Blut für ewige Dinge hingegeben,
sie leben heute nicht minder unter uns, denn unser Glück und Gut, was sie ge—
schaffen, das ist ein Leben, was sie noch heute hier auf Exden haben; das sind
hre Geister, die anspruchslos beglückend zwischen den Reihen der Lebendigen
wandeln. Bibliotheken bewahren die Werke der Dichter, der Staatsmänner
roßer Nativnen; aber wo wäre auch nur ein großer Dichter, auch nur ein
großer Staatsmaͤnn geworden, ohne getragen zu sein, geistig getragen geistig
jeboren zu sein von Millionen namenloser anderer Tüchtiger, deren Tüchtigkeit
ur in seinen Werken sich abspiegelt, deren Tüchtigkeit durch diese Werke den
Nachkommen als nie versiegender Quell der Jugend sprudelt? So hat die
kirche ihre Martyrer, so haben Kunst und Wissenschaft ihre Träger, so hat jede
Vollstüchtigkeit ihre Heiligen, denen es von Gott vergönnt ist, auch schon vor
em großen Gerichtstage als wohlthätige Geister mit und in den verwandten
Seelen ein ewiges, unversiegliches Leben zu führen, wie der böse Geist und die
Geister der Bbsen auch ihr dämonisches Spiel weiter treiben. Die Menschen
sterben, aber ihre Werke folgen ihnen nach — und in seinen Werken führt ein
eliges Leben nur, wer jenen göttlichen Keim, der in seine Brust gelegt war,
nicht hat umkommen lassen, und die Kindschaft Gottes lieber mit seinem Blute
besiegelt, als fahren ließ.
Alles mechanische Verhalten aber von Menschen zu Menschen ist ein Auf—
geben der Kindschaft Gottes Nicht bloß in den kleinen Kreisen, in der Familie,
in dem Sonderverhältnisse eines Wohlthuenden zum Wohlthaten Empfangenden
ist die Febedie Herrin — nein! sie ist es überalll — weltenweit! so
weit des Herrn Athem dringt. Sie ist es in Staat und Kirche so gut, als
im Hause — wer ihrer vergißt, vergißt die Kindschaft Gottes im Menschen, in
sich er in andern, und wenn in dem einen, dann jedesmal auch in dem
ndern. Gott hat die Völker geschaffen in reicher, köstlicher Mannigfaltigkeit
er hat sie entfaltet in ihrer Verschiedenheit, in tausend Formen des politi⸗
schen Lebens, wie die herrliche Pracht einer blumengeschmückten Aue — aber
däs ist das Gleiche bei allen, daß, wo eines der Liebe Gottes vergißt, es auch
der Liebe des Menschen baar wird, und umgekehrt — gerade wie jede Blume,
sie sei noch so verschieden gebildet, verwellt, wenn sie von ihrer Wurzel losge⸗
lissen wind. Won die mechanischen Gewalten davon trägen, da wird der
Fürst dieser Welt mit seinen Mächten zum Herrn exklärt. Wie dürr, wie arm
ist alles Mechanische ohne das, die Verbindung womit allein es seiner Dürre
und Armuth entreißen kann, ohne die Liebe, die Menschen, die Völker, die
Regierung und Regierte zu einem lebendigen Ganzen, zu geistigen Organis⸗
men macht!
Napoleon hat von Anfang an den Völkern Europa's, von Anfang an hat
er ihnen vorgeruüͤhmt, was er älles Frankreich gebracht habe was er ihnen brin⸗
jen werde: geschützten Verkehr, reichen, weit ausgedehnten Waarenabsatz, präch⸗
lige Landstraßen, gute Polizei, gutes Geld, geregelte Heere, blühende mathema⸗
lische Wissenschaft und was weiß ich — aber zu geschweigen, daß nur unter
einen Gegnern zu seiner Zeit wahre Dichter, wahre Staatsmänner, wahre Hir—
len ihrer Herden zu finden waren, so hat auch den Bauer auf der spanischen
dochwüste, den Bauer in Tyrol, den rohesten Bauer in Norddeutschland ein
Entsetzen ergriffen, wenn er die Geister ahnen lerute, die im Geleite jener Wohl⸗
thaten, wo Napoleons Hand sie spendete, einherschritten. Menschen, die sonst
ruhig im engen Gleise hrer Nahrung nachgiengen, ist es plötzlich einsam und
schauerlich geworden, als sie die alten traulichen Geister der väterlichen Volks—
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