Full text: Lesebuch für die Oberklassen evangelischer Elementarschulen in Elsaß-Lothringen

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Aber auch einem furchtbaren Verhbängnis sah man entgegen. 
Linen Monat hatte der endlose Darehzus gedauert; wie Heu- 
schrecken hatten die Fremden von Colberg bis Breslau das Land 
aufgezehrt. Denn schon im Jahre 1811 var eine Mibernte gewesen, 
Laum hatten die Landleute Saathafer erspart; den fraben 1812 
die französischen Kriegspferde; sie fraben den letzten Halm Heu, 
qus letæte Bund Stroh, die Dörfer muhten das Schock Häcksel- 
gtroh mit 18 Thalern, den Centner Heu mit 2 Thalern — 
Und gröblich wie die Tiere verzehrten die Menschen. Vom Mar- 
gchall bis zum gemeinen Soldaten waren sie nicht zu sättigen. 
König Hieronymus hatte in Glogau, keiner groben 8tadt, täglich 
400 Thaler zu seinem Unterhalt erprebt. Die Offiziere hatten von 
der Frau des armen Dorfgeistlichen gefordert, dab sie ihnen die 
Schinken in Rotwein koche; den fettesten Rahm tranken sie aus 
Krügen; auch der Gemeine bis zum Trommler hatte getobt, wenn 
er des Mittags nicht zwei Gänge erhielt; wie Wabnsinnige hatten 
sie gegessen. 
Schon damals indes ahnte das Volk und die Franzosen selbst, 
dahß sie so nicht zurückkehren würden. 
Aber was jetzt zurückkehrte, das kam kläglicher, als einer 
im Volke geträumt hätte. Es war eine Herde armer Ssünder, die 
ihren letzten Gang angetreten batten, es waren wandelnde Leichen. 
Ungeordnete Haufen, aus allen Truppengattungen und Nationen 
zusammengesetzt, ohne Kommandoruf und Trommel, lautlos vie ein 
Totenzug nahten sie der Stadt. Alle varen unbevaffnet, keiner 
beritten, keiner in vollständiger Montur, die Bekleidung zerlumpt 
und uncauber, aus den Kleidungsstücken der Bauern und ihrer 
Prauen ergünzt. Was jeder gefunden, hatte er an Kopf und Schultern 
gehängt, um eine Hülle gegen die markzerstörende Kalte zu haben: 
alte Sũcke, zerrissene Pferdedecken, Teppiche, Häute von Katzen 
und Hunden. Man sah Grenadiere in groben Schafpelzen, Kürassiere, 
die Weiberröcke wie spanische Mäntel trugen. Nur wenige hatten 
Helm oder Tschako, jede Art Kopftracht trugen sie, bunte und 
wveibe Nachtmützen, wie sie der Bauer hatte, tief in das Gesicht 
gezogen, ein Tuch oder ein Stück Pelz zum Schutz der Ohbren 
darüber geknüpft, Tücher auch über dem untern Teile des Ge- 
gichtes. Und doch waren der Mehrzahl Ohren und Nasen erfroren 
und feuerrot, erloschen lagen die dunklen Augen in ihren Höblen. 
Selten trug einer Schuh oder Stiefel, glücklich war, ver in PVilz- 
socken oder Pelzschuhen den elenden Marsch machen konnte; 
vielen waren die Fübe mit Stroh umwickelt, mit Decken, Lappen, 
dem PVell der Tornister oder dem Vilz- von alten Hüten. Alle 
wankten auf Stöcke gestützt lahm und hinkend. auch die Garden 
unterschieden sich von den übrigen wenig, ihre Mäntel waren ver—
	        
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